Eine zeitliche Einordnung von historischen Ansichtskarten kann in der Regel nur durch den Poststempel oder durch ein vom Absender vermerktes Datum erfolgen. Fehlen Stempel und Datum, wie etwa bei ungelaufenen Karten oder jenen bei denen die Briefmarke (samt darauf befindlichem Stempel) im Laufe der Zeit von Sammlern entfernt wurde, können eventuell noch durch das Motiv (bestimmte Bauten oder Einrichtungen) oder sonstige Besonderheiten Rückschlüsse auf den Entstehungszeitpunkt der Karte gezogen werden. Fehlen auch diese wird es oft schwer und auch das Datum des Poststempels erlaubt nicht immer eine korrekte zeitliche Einordnung, denn gelegentlich wurden Ansichtskarten erst viele Jahre nachdem sie herausgegeben wurden tatsächlich versandt. In solchen Fällen kann es nützlich sein sich an dem zumeist auf der Ansichtskarte vermerkten Verleger zu orientieren. Ähnlich dem Beitrag Fotografen in Mistelbach vor 1945 soll durch den vorliegenden Beitrag Hilfestellung bei der näheren zeitlichen Bestimmung von Ansichtskarten der Stadt Mistelbach durch Auflistung der überlieferten hiesigen Ansichtskartenverleger samt ungefährer Angabe ihres Tätigkeitszeitraums, gegeben werden. Die nachfolgende Auflistung erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und beschränkt sich auf einst in der Stadt Mistelbach (ohne heutige Katastralgemeinden) ansässige Verleger. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war es üblich, dass Geschäfts- bzw. Kaufleute und Gastwirte Werbeansichtskarten herausbrachten, die ihre Betriebe zeigten. In die nachfolgende Auflistung wurden jedoch ausschließlich Verleger aufgenommen, deren Ansichtskarten nicht nur ihre eigenen Unternehmen zeigten.
Thomas Freund (etwa 1898 bis 1910?)
Bürgermeister Thomas Freund führte seit dem Jahr 1876 ein Kaufhaus im Kreuzungsbereich Hafnerstraße/Wiedenstraße und zu dem ungeheuer umfangreichen Warenangebot seines Geschäfts zählten auch Ansichtskarten. Neben Werbeansichtskarten für sein Geschäft, sind aus seinem Verlag viele verschiedene Ansichten von Mistelbach und beispielsweise auch aus Ebendorf überliefert. Das Kaufhaus wurde unter dem Namen des Gründers von der Familie bis ins Jahr 1957 weitergeführt, Ansichtskarten dürften seit dem Ersten Weltkrieg jedoch keine mehr herausgegeben worden sein.
Johann Pemsel (zweite Hälfte 1890er)
übernahm 1896 das Kaufhaus von Franz Czinglar an der Adresse Hauptplatz Nr. 33. Eine wohl vor 1900 im Verlag Johann Pemsel erschienene Ansichtskarte ist überliefert. 120 Jahre betrieb die Familie Pemsel an dieser Adresse ein Geschäft, dass sich im Laufe der Zeit von einer Gemischtwarenhandlung zu einem Bekleidungsgeschäft entwickelte.
Zapletal & Comp. (1899 bis etwa 1903?)
Vom Fotografen Adolf Zapletal sind drei Ansichtskarten (Mistelbach, Lanzendorf und Ebendorf) überliefert. Zapletal war zuvor bereits seit vielen Jahren als Tapezierer in Mistelbach ansässig und besaß seit 1899 die Gewerbeberechtigung als Fotograf. Seine Tätigkeit als Fotograf bzw. Ansichtskartenverleger unter dem Namen „Zapletal & Comp.“ dürfte wohl nur von eher kurzer Dauer gewesen sein und überhaupt ist sein weiteres Schicksal unklar. Mehr zu Zapletal findet sich im Beitrag Fotografen in Mistelbach vor 1945
Marie Bieberle (1897 bis 1900?)
Der aus Ernstbrunn stammende Fotograf Franz Bieberle ließ sich 1893/94 in Mistelbach nieder, verstarb allerdings bereits 1897. Marie Bieberle führte das fotografische Atelier dann im Witwenfortbetrieb für ein paar Jahre weiter – wie lange ist unklar. Eine im Jahr 1899 gelaufene Ansichtskarte belegt, dass auch sie Ansichtskarten herausgab. Mehr zu Bieberle findet sich im Beitrag Fotografen in Mistelbach vor 1945
Leopold Forstner sen. (1901 bis etwa 1914)
Der Fotograf Leopold Forstner sen. kam im Jahre 1901 nach Mistelbach und verlegte viele seiner fotografischen Aufnahmen als Ansichtskarten und entfaltete in diesem Bereich bis etwa zum 1. Weltkrieg eine rege Geschäftstätigkeit. Obwohl das Unternehmen nach 1926 von seiner Witwe und Sohn bzw. Tochter weitergeführt wurde, finden sich aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg keine weiteren Ansichtskarten. Mehr zu Forstner findet sich im Beitrag Fotografen in Mistelbach vor 1945
Anton Kapitan (1905 bis 1925)
betrieb ab 1905 eine Buchhandlung in der Hafnerstraße Nr. 2 und war ein eifriger Ansichtskartenverleger. Besonders bekannt sind die von ihm um das Jahr 1910 herausgegebenen kolorierten Ansichten von Mistelbach. Er verstarb Anfang 1925 und seine Nachfolger als Unternehmer bzw. am Standort finden sich untenstehend.1
Josef Plaschil (1906 bis etwa 1925)
Der Fotograf Josef Plaschil kam 1906 nach Mistelbach und eröffnete an der Adresse Hauptplatz Nr. 15 sein Atelier. In den ersten Jahren brachte er einige Aufnahmen von Mistelbach bzw. verschiedenen Orten in der Umgebung als Ansichtskarten heraus. Die Zahl der überlieferten Ansichtskarten ist allerdings überschaubar, und ab Mitte der 1920er Jahren finden sich kaum mehr von ihm erstellte Ansichtskarten, obwohl er sein Gewerbe als Fotograf bis in die 1950er Jahre ausübte. Mehr zu Plaschil findet sich im Beitrag Fotografen in Mistelbach vor 1945
Rosa Lehner (1925 bis 1936)
eröffnete im Jahre 1925 ihre Buchhandlung in der Hafnerstraße Nr. 2 und zwar in jenen Geschäftsräumlichkeiten, in denen zuvor Anton Kapitan sein Geschäft geführt hatte. Sie hatte jedoch nicht die Warenvorräte bzw. die Geschäftsausstattung von Kapitan übernommen und war somit lediglich Nachfolgerin an Ort und Stelle, aber nicht in wirtschaftlichem Sinne, wie sie in einem Inserat klarstellte (bzw. klarstellen musste). Die meisten überlieferten Ansichtskarten aus den 1920er Jahren stammen von ihr. 1936 verkaufte sie ihr Unternehmen an Ludmilla Kothbauer.2
Adolf Rempl (1930er Jahre)
ließ sich ab 1919 als Buchbinder in Mistelbach nieder und übernahm die Buchbinderei samt Papierhandlung von Eduard Steinhauser an der Adresse Hauptplatz Nr. 21 (bis etwa 1913 hat diese an der Adresse Hauptplatz Nr. 19 befunden). Nach dem Tod von Anton Kapitan 1925 übernahm Rempl dessen Buchhandlung, die er in sein Geschäft am Hauptplatz überführte. Neben dem Weitervertrieb von Restbeständen aus dem Nachlass von Kapitan dürfte Rempl eigene Ansichtskarten wohl erst in den 1930er Jahren verlegt haben. Die Buchhandlung Rempl existierte bis Anfang der 1960er Jahre. 3
Kothbauer & Co. (1936 bis 1950er Jahre?)
Im Februar 1936 übernahm Ludmilla Kothbauer die Papier- und Buchhandlung von Rosa Lehner und verlegte diese in das ihr gehörende, gegenüber liegende, Haus Hafnerstraße Nr. 7. Die Papier- und Buchhandlung Kothbauer & Co. gab in den 1930er Jahren bzw. während des 2. Weltkriegs Ansichtskarten heraus. Ob bzw. wie lange die Tätigkeit als Ansichtskartenverlag nach dem Krieg fortgeführt wurde ist unklar. Der Betrieb übersiedelte 1954 wenige Häuser weiter an die Adresse Hauptplatz Nr. 26 und bestand dort bis ins Jahr 1985.4
Quellen:
- Bote aus Mistelbach, Nr. 49/1904, S. 7 (ONB: ANNO)
- Mistelbacher Bote, Nr. 9/1925, S. 5 (ONB: ANNO);
Mistelbacher Bote, Nr. 13/1925, S. 5 (ONB: ANNO) - Mistelbacher Bote, Nr. 20/1919, S. 5 (ONB: ANNO);
Mistelbacher Bote, Nr. 8/1925, S. 5 (ONB: ANNO) - Mistelbacher Bote, Nr. 8/1936, S. 4 (ONB: ANNO);
Stadtmuseumsarchiv Mistelbach/Englisch, Alfred: Bewegung verändert (2013), S. 33