Göstl, Georg

Stadtrat Georg Göstl

Georg Göstl im Jahre 1989

* 13.4.1933, Mistelbach
† 7.4.1993, Mistelbach

Georg Göstl wurde als Sohn des Sattlermeisters Georg Göstl und dessen Gattin Theresia, geb. Veigl, in Mistelbach geboren. Auch sein ursprünglich aus Nodendorf stammender Großvater hieß Georg Göstl, war Riemer- und Sattlermeister, und gründete 1898 einen Sattlereibetrieb samt Wagenlackiererei in der Oserstraße Nr. 5, den er wenig später (vermutlich im September 18991) an die Adresse Barnabitenstraße Nr. 4 verlegte. Göstl wuchs gemeinsam mit einer jüngeren Schwester auf und besuchte die Volks- und Hauptschule in Mistelbach. 1941, im Alter von neun Jahren, erkrankte er an einer schweren Lungen- und Rippenfellentzündung und die Folgen dieser Erkrankung sollten seine Gesundheit lebenslänglich beeinträchtigen. Seine Mutter zählte zum engsten Mitarbeiterkreis von Pater Titus Helde2 und durch seine Tätigkeit als Ministrant bei diesem 1945 von russischen Soldaten erschossenen Salvatorianer-Priester wurde er in seinem Glauben geprägt. Nach dem Abschluss der Pflichtschulbildung absolvierte er eine Lehre zum Sattler, Riemer und Lackierer im väterlichen Betrieb und legte die Meisterprüfung im Lackierergewerbe 1961 in Wien und jene für das Sattlergewerbe 1966 in Lilienfeld ab. Mit Jahresbeginn 1967 übernahm Göstl den Betrieb von seinem Vater, vergrößerte das Unternehmen und baute die Auto-Lackiererei aus. Sein privates Glück fand er in der 1958 mit Franziska geschlossenen Ehe, aus der drei Kinder entstammen.

Eröffnungsanzeige im "Bote aus Mistelbach", Dezember 1898 Das Geschäft in der Barnabitenstraße im Jahre 1990
Eröffnungsanzeige 1898 und das Geschäft im Jahr 1990

Ausgesprochen vielseitig war Göstls Engagement im öffentlichen Leben bzw. dem Vereinsleben der Stadt: seit 1946 war er begeistertes Mitglied der Mistelbacher Pfadfinder und kümmerte sich viele Jahre hindurch um die Beschaffung und Instandhaltung der Ausrüstung der Gruppen, 1990 gehörte er zu den Gründern der Pfadfindergilde und war erster Gildenmeister, beginnend in den 1960er Jahren organisierte Göstl rund zwei Jahrzehnte lang den Mistelbacher Handels- und Gewerbeball und war viele Jahre im Österreichischen Wirtschaftsbund und der Innungsvertretung, unter anderem als Ausschussmitglied der Bundesinnung, Landesinnungsmeister-Stellvertreter der Sattler und Bezirksvertrauensmann, aktiv, ab 1957 war er Finanzreferent für den Bau des Kolpingheimes und bis 1970 ehrenamtlicher Verwalter des Mädchenheimes der Kolpingfamilie, er war Mitglied des Sparkassenrates und der Hauerinnung, Organisator des Mittragens der Zunftfahnen bei der Fronleichnamsprozession und kümmerte sich auch um die Restaurierung dieser Fahnen. Darüber hinaus engagierte sich Göstl in der Pfarre und trug wesentlich zum Gelingen von Großprojekten wie Kirchenrenovierungen, Kirchenanstrahlung oder dem Neubau des Pfarrsaales bei. Er zeichnete sich durch große Hilfsbereitschaft aus, packte stets mit an, und wann immer ihm Missstände in Mistelbach auffielen, kümmerte er sich rastlos um deren Behebung – kurz gesagt: er fühlte Verantwortung für seine Stadt und nahm diese auch wahr. Bereits sein Vater war Obmann der Mistelbacher ÖVP und Ende der 1950er Jahre Gemeinderat3, und auch Georg Göstl jun. war bereits in jungen Jahren in der „Österreichischen Jugendbewegung“, der damaligen Jugendorganisation der ÖVP, engagiert und gehörte schließlich ab 1975 als Mandatar der ÖVP dem Gemeinderat an bzw. war ab 1990 bis zu seinem Tod Stadtrat für Finanzen. Mit dem von ihm erstellten und von seiner Partei durch mehrere Jahre hinweg herausgegebenen sehr populären Mistelbacher Telefonverzeichnis gelang ihm ein Marketing-Coup in Form eines praktischen Werbegeschenks.

Göstl interessierte sich sehr für die Geschichte seiner Heimatstadt, dokumentierte deren Entwicklung, und baute im Laufe der Jahre eine umfangreiche Sammlung hierzu auf. Aus dem zusammengetragenen Material sollten im Ruhestand geschichtliche Publikationen entstehen, doch dies war ihm leider nicht vergönnt. Noch heute befindet sich diese „Göstl-Archiv“ genannte Sammlung im Familienbesitz und ist eine bedeutende und reichhaltige Quelle zur Mistelbacher Geschichte – auch für diesen Blog. Im Jahr 1983 gab Göstl Faksimile-Nachdrucke der 1901 bzw. 1912 von Karl Fitzka veröffentlichten Bücher zur Geschichte der Stadt Mistelbach heraus. Ab Ende der 80er Jahre erschienen vom ihm verfasste kurze Beiträge zur Geschichte Mistelbachs – meist aus Anlass bestimmter Jubiläen – in der Mistelbacher Gemeindezeitung4, und aufgrund großer Publikumsnachfrage hielt er mehrfach einen Vortrag mit dem Titel „Aus der Geschichte Mistelbachs“.  Weiters war Göstl Mitautor der „Mistelbacher Chronik von 1914 bis 1988“, die 1989 als Band IV der Reihe Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart veröffentlicht wurde.  Darüber  hinaus  war  er   maßgeblich an der Herausgabe der Anfang  der  1990er  Jahre von der Bezirks-ÖVP veröffentlichten „Jahrbücher für den Bezirk Mistelbach“ beteiligt, die das politische, kulturelle, gesellschaftliche und sportliche Geschehen in der Region dokumentierten.5

Georg Göstl im Jahr 1991 mit einem Stierriemen in seiner Werkstatt Georg Göstl im Jahr 1991 mit einem Stierriemen in seiner Werkstatt

Im November 1991 trat Göstl in den Ruhestand über und nach mehr als 90 Jahren endete die Geschäftstätigkeit der Familie Göstl an der Adresse Barnabitenstraße 4. Georg Göstl verstarb am 7. April 1993 wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag und wurde am 15. April im Familiengrab auf dem Mistelbacher Friedhof beigesetzt.
Der Gemeinderat der Stadt Mistelbach beschloss in der Sitzung vom 18.5.1999 zum Gedenken an sein verdienstvolles Wirken einer in der Kamptalsiedlung unterhalb des Wifi-Gebäudes gelegenen Straße den Namen Georg Göstl-Straße zu geben.

Wo befindet sich die Georg Göstl-Straße?

 

Bildnachweis:
-) sämtliche Fotos Göstlarchiv
-) Anzeige aus dem „Bote aus Mistelbach“ 1899

Quellen (und Anmerkungen):
-) Gemeindezeitung – Amtliche Mitteilungen der Stadtgemeinde Mistelbach, Folge 7/93 (Mai), S. 1f
-) Die Niederösterreichische Wirtschaft – Mitteilungen der Handelkammer Niederösterreich, 23. April 1993, Nr. 13/1993, S. 19
-) Auskunft Frau Franziska Göstl
-) Auszug aus dem Gemeinderatsprotokoll vom 18.5.1999

 

  1. Zu diesem Zeitpunkt verlegte die zuvor in der Barnabitenstr. 4 ansässige Fotografin Marie Bieberle ihren Betrieb an die Adresse Oserstr. 5 lt. Anzeige im Bote aus Mistelbach, Nr. 17/1899, S. 11
  2. van Meijl, Dr. Peter: Erzähl mir die Geschichte von P. Titus Helde (2011), S. 143
  3. Weinviertler Nachrichten, Nr. 43/1971, S. 4
  4. zumindest folgende in der Gemeindezeitung erschienene Beiträge können ihm namentlich zugeordnet werden:
    -) Die Pestsäule und ihre Geschichte (Folge 242, Juli 1985, S. 8f)
    -) 75 Jahre Telefon in Mistelbach (Folge 245, Februar 1986, S. 15)
    -) Josefsstatue in Ebendorf restauriert (Folge 249, Oktober 1986, S. 10)
    -) 70 Jahre Flüchtlingsstation in Mistelbach (Folge 250, Dezember 1986, S. 19)
    -) 300 Jahre Grundsteinlegung Kolleg Mistelbach (Folge 253, Juli 1987, S. 15)
    -) Vor 760 Jahre – Venus in Mistelbach (Mitautor Weikert – Folge 253, Juli 1987, S. 15)
    -) Landesbahn wurde eingestellt (kurzer Abriss der Mistelbacher Eisenbahngeschichte – Folge 3/1988 (Juli), S. 21)
    -) Vor 60 Jahre schloß das “Mistelbacher Spital” seine Pforten (Folge 4/1988 (Oktober) S. 13)
    -) 100 Jahre Kindergarten Mistelbach (Folge 6/1989 (Oktober), S. 14
    -) Erste Bürgermeisterwahl 1850 (Folge 5/1990 (Juli), S. 13)
    -) 120 Jahre Eisenbahn in Mistelbach (Folge 4/1991 (März), S. 13)
    -) Ist bei uns auch ein Hochwasser möglich? (Übersicht über historische Hochwasserereignisse in Mistelbach – Folge 1/1992 (Februar), S. 15
  5. Jahrbuch für den Bezirk Mistelbach 1993, S. 1
Dieser Beitrag wurde unter Persönlichkeiten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.