Neydhart, Johann

Bürgermeister Johann Neydhart

* 29.7.1891, SiebenhirtenJohann Neydhart, Bürgermeister von Siebenhirten 1945 bis 1955
† 8.11.1977, Klosterneuburg

Johann Neydhart wurde 1891 als fünftes von acht Kindern des Landwirts Mathias Neydhart und dessen Gattin Anna, geb. Schodl, in Siebenhirten geboren.1 Neydharts Vater war auch in der Siebenhirtner Gemeindevertretung aktiv und gehörte in den 1890er Jahre dem Gemeindeausschuss (=Gemeinderat) an.2 Der Name Neydhart (im Laufe der Jahrhunderte in wechselnder Schreibweise) lässt sich in Siebenhirten durch alte Urkunden jedenfalls bis ins Jahr 1414 zurückverfolgen.3

Sein Elternhaus, damals Nr. 59 (heute: Johann Neydhart-Weg Nr. 5), befand sich allerdings erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Familienbesitz4 und Neydhart wuchs hier mit einem Bruder (ein weiterer gleichnamiger Bruder starb vor seiner Geburt), und fünf Schwestern auf. Zweifellos absolvierte er die achtjährige Pflichtschulbildung in der damals zweiklassig geführten Volksschule in Siebenhirten. Da sein älterer Bruder Mathias die Wirtschaft der Familie übernahm in die er später einheiratete, war Johann Neydhart zum Nachfolger in der elterlichen Landwirtschaft (Halblehen) bestimmt. Weltpolitisches Geschehen stand dem jedoch zunächst entgegen, denn im Alter von 23 Jahren wurde er nach Ausbruch des 1. Weltkriegs zum k.k. Infanterieregiment Nr. 99 eingezogen und mit der 16. Kompanie dieser Einheit Ende Oktober 1914 an die Ostfront verlegt. Hier erlebte der Infanterist Neydhart kurz darauf seine Feuertaufe im Kampf gegen die Truppen des Zaren in der Schlacht am San in Galizien und wurde im August des Folgejahres verwundet.5 Da der Grad seiner Verwundung nicht überliefert ist, ist unklar, ob sein Kriegseinsatz damit endete oder er nach seiner Genesung wieder an die Front abrücken musste.

Im Zuge einer Doppeltrauung – gemeinsam mit einer seiner Schwestern – ehelichte er am 21. Februar 1922 Anna Maria Trischak (*1891, †1966), die Tochter eines Siebenhirtner Landwirts.6 Dieser Ehe entstammten eine Tochter und ein Sohn. Johann Neydhart jun. fiel 1944 im Alter von nur 18 Jahren in Frankreich und damit starb der männliche Stammhalter der Familie.7 Johann Neydhart selbst entrann 1938 nur knapp dem Tode als er gemeinsam mit seinem Nachbarn Johann Böhm in dessen Keller aufgrund der Bildung von Gärgas beinahe erstickt wäre.8

Ende Mai 1945 wurde Neydhart von der russischen Besatzungsmacht als Bürgermeister der Gemeinde Siebenhirten eingesetzt9, und in dieser Funktion später auch von dem durch den Drei-Parteien-Ausschuss der niederösterreichischen Landesregierung eingesetzten Gemeinderat offiziell bestätigt.10 Die erste Zeit seiner Tätigkeit als Bürgermeister war durch die Anwesenheit sowjetischer Soldaten im Dorf und der damit einhergehenden Begleiterscheinungen (Übergriffe, Willkür, Requirierungen) geprägt bzw. erschwert, und die Situation entspannte sich erst nachdem die Besatzungssoldaten 1946 aus Siebenhirten abgezogen wurden. Es galt die Kriegsschäden zu beseitigen, die Verwaltung und Versorgung wiederaufzubauen und Bürgermeister Neydhart schaffte dies allen Widrigkeiten der damaligen Zeit zum Trotz mit großem Erfolg. Bei den ersten Gemeinderatswahlen nach dem Krieg im Mai 1950 wurde er als Kandidat der Bauernbund-Liste (einer von zwei im Ort angetretenen ÖVP-Listen) in den Gemeinderat gewählt und schließlich im Amt bestätigt. Nach zehnjähriger Amtszeit als Bürgermeister hatte sich Neydhart entschlossen bei den Gemeinderatswahlen 1955 nicht erneut zu kandidieren und zog sich in weiterer Folge aus der Gemeindepolitik zurück. Die Ankündigung seines Rückzug bzw. die dadurch notwendige Nominierung eines Bürgermeisterkandidaten löste innerhalb der Siebenhirtner Volkspartei bzw. besser gesagt unter den ihr zugehörigen Bünden einige Spannungen aus, die letzlich auch dazu führten, dass die ÖVP bei der Gemeinderatswahl 1955 mit drei verschiedenen Listen antrat.11

Wenig überraschend war Neydhart bereits vor und auch nach seiner Zeit als Bürgermeister vielseitig im Vereins- und Gemeinschaftsleben des Dorfes engagiert: Seit seiner Jugend und letztlich mehr als 60 Jahre hindurch war er in der Chormusik der Pfarre aktiv.12 Weiters gehörte Neydhart seit 1908 der Freiwilligen Feuerwehr Siebenhirten an und war auch in diesem Verein über Jahrzehnte engagiert. Von 1933 bis 1937 war Neydhart außerdem Obmann der Siebenhirtner Milchgenossenschaft.13 Mit Sicherheit gehörte er auch bereits dem in der Zwischenkriegszeit bestehenden Militär-Veteranenverein an, schließlich war er später Obmann des in den 1950er Jahren gegründeten Siebenhirtner Ortsverbands des Österreichischen Kameradschaftsbundes.14 Von etwa 1950 bis 1964 war Johann Neydhart Pächter der Gemeindejagd und als ab 1965 eine Jagdgesellschaft als Pächter auftrat, deren Jagdleiter von 1965 bis 1971.15

1956 wurde ihm aus Anlass seines 65. Geburtstags und aufgrund seiner großen Verdienste als Bürgermeister während der Zeit der Besatzung und des Wiederaufbaus die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatgemeinde verliehen.16 Auch seitens der Republik Österreich und des Bundeslandes Niederösterreich wurde Neydharts Einsatz für die Allgemeinheit in schwerer Zeit durch die Verleihung von Ehrenzeichen gewürdigt.17

Bereits 1952 hatten er und seine Gattin ihrer Tochter und dem Schwiegersohn das Haus überlassen, nachdem sie in ein im weitläufigen Vorgarten neu errichtetes kleineres Haus (Nr. 59a bzw. nunmehr Johann Neydhart-Weg Nr. 2) übersiedelt waren.18 Neydhart überlebte schließlich Gattin, Tochter und Schwiegersohn und da in der Häuserchronik der Ortsgeschichte von Prälat Stubenvoll ab 1975 andere Hausbesitzer aufscheinen19, liegt der Schluss nahe, dass er die letzten beiden Jahre seines Lebens vermutlich in einer Einrichtung für Senioren verbrachte. Gemäß einem Eintrag in den Pfarrmatriken, verstarb Johann Neydhart im November 1977 in Klosterneuburg, was ebenfalls für die im vorherigen Satz geäußerte Vermutung zu sprechen scheint. Seine sterblichen Überreste wurden im Familiengrab auf dem Siebenhirtner Ortsfriedhof beigesetzt.

Neydharts letzte Ruhestätte auf dem Siebenhirtner OrtsfriedhofNeydharts letzte Ruhestätte auf dem Siebenhirtner Ortsfriedhof

Im Zuge der Einführung von Straßennamen als Adressbezeichnung in der Katastralgemeinde Siebenhirten beschloss der Mistelbacher Gemeinderat am 7. März 2001 die Zufahrtsstraße zu Neydharts Geburtshaus in Erinnerung an den verdienten Altbürgermeister Johann Neydhart-Weg zu benennen.20 Somit tragen die beiden Häuser in denen Neydhart im Laufe seines Lebens wohnte heute seinen Namen in ihrer Adresse.

Wo befindet sich der Johann Neydhart-Weg?

 

Quellen:

Bildnachweis:
Portrait: Abb. 87 aus der Festschrift 200 Jahre Pfarre Siebenhirten (1984)
Foto Grab: Thomas Kruspel (2021)

  1. Pfarre Siebenhirten: Taufbuch (1862-1898), Fol. 119
    Eintrag Taufbuch (Matricula)
  2. Amts-Blatt der k. k. Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, 14.1.1892 (10. Jg. – Nr. 2), S. 5;
    Amts-Blatt der k. k. Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, 11.10.1894 (12. Jg. – Nr. 41), S. 165
  3. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 84
  4. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 134
  5. Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 124, 30. Mai 1929, S. 313 (Toderklärungsverfahren eines vermissten Kameraden, bei dem Johann Neydhart als Zeuge aussagte) (ONB: ANNO);
    Verlustliste Nr. 243 vom 20. August 1915, S. 30 (herausgegeben vom k. u. k. Kriegsministerium) (ONB: ANNO);
    (Linzer) Tages-Post, 31. August 1915, S. 7 (ONB: ANNO)
  6. Pfarre Siebenhirten: Trauungsbuch (1917-1938), Fol. 38
    Eintrag Trauungsbuch (Matricula)
  7. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 506
  8. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 351
  9. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 487
  10. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 193
  11. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 190
  12. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 204 bzw. Band II, S. 1029
  13. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 392
  14. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 261
  15. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 375
  16. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 193 (Anm.: vermutlich kam es hier zu einem Zahldreher bei der Angabe des Datums der Verleihung des Ehrenbürgerrechts – 27.9. statt 29.7.), 194
  17. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 193, 204
  18. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 134
  19. Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Eine Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und Pfarre (1986), Band I, S. 134
  20. Mistelbacher Gemeindezeitung, Nr. 2/2001, S. 16
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