Schützenweg

Die Geschichte des Mistelbacher Schützenwesens reicht laut FitzkasGeschichte der Stadt Mistelbach“ wohl mindestens bis in das 16. Jahrhundert zurück, allerdings gilt festzuhalten, dass die ältesten schriftlichen Aufzeichnungen und Festscheiben im Jahre 1866 von im Schießstattgebäude einquartierten preußischen Soldaten als Brennmaterial benutzt wurden und somit unwiederbringlich verloren gingen. Die älteste überlieferte Festscheibe stammte angeblich aus dem Jahre 1596 und 1619 wird laut Fitzka in Mistelbach ein Büchsenmacher erwähnt.1 Der Ursprung dieser einst vielerorts vorhandenen „bürgerlichen Schützengesellschaften“, lag in den durch die Herrschaft angeordneten regelmäßigen und verpflichtenden Schießübungen zum Zwecke der Verteidigung. Schließlich mussten befestigte Anlagen (wie etwa die Schanze rund um die Pfarrkirche, deren Schießscharten zum Teil heute noch vorhanden sind) von der hiesigen Bevölkerung besetzt und verteidigt werden. Es gab damals nur kleine stehende Heere, denn Soldaten wurden oftmals erst im Bedarfsfall rekrutiert und auch durch lange Reisezeiten ergaben sich große Verzögerungen bei der Einsatzbereitschaft regulärer Truppen. Somit musste sich die Bevölkerung in Grenzregionen, wie dem Weinviertel, bei in früherer Zeit häufig auftretenden feindlichen Einfällen oftmals selbst verteidigen. Später wandelte sich das Schießen zu einer geselligen Freizeitbetätigung mit patriotischem Charakter.

Die erste überlieferte Schießstätte (Nr. 1) lag zwischen der heutigen Franz Josef-Straße und der (rechtsseitigen) Bahnzeile, etwa in Höhe des Notariats bzw. der dahinterliegenden Wohnhausanlage.2 In diesem Gebiet befanden sich (mindestens) bis ins 17. Jahrhundert Lehmabbaustätten und Ziegelöfen.3 Jedenfalls im Jahre 1740 dürfte sich die neue Schießstätte (Nr. 2) dann bereits im Bereich des heutigen Stadtparks (und über die Bahnstrecke hinaus) befunden haben, denn diese Jahreszahl soll in der Decke des Saales dieses Gebäudes verewigt gewesen sein. Wahrscheinlich aber liegen die Anfänge der Schießstätte Nr. 2 bereits im Jahre 1729, zumindest kann eine Festscheibe aus dem Jahr 1829 mit der ein 100-jähriges Jubiläum („Einhundert Jahr sind verflossen seit man hier vereint geschossen“) wohl in diese Richtung interpretiert werden (zum damaligen Zeitpunkt lagen ja auch die alten Aufzeichnungen noch vor). Laut Fitzka soll sich auch schon der Vorgängerbau des in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbauten Schießstattgebäudes an eben dieser Stelle befunden haben, allerdings befand sich laut anderen Quellen hier zuvor ein Ziegelofen des Marktrichters De Venna, was wohl gegen diese Annahme spricht.4 Den zweifellos bereits vor der 1898 erfolgten offiziellen Einführung von Straßennamen gebräuchlichen Namen „Schießstattgasse“ trug die vom Rathaus hierher führende, heute Museumsgasse genannte, Straße bis Mitte der 1930er Jahre.

Ende der 1950er Jahre: links neben dem alten Feuerwehrhaus ist das alte Schießstattgebäude (Nr. II - später auch als "Kasino" bezeichnet) zu erkennen.Ende der 1950er Jahre: links neben dem alten Feuerwehrhaus ist das alte Schießstattgebäude (Nr. II – später auch als „Kasino“ bezeichnet) zu erkennen.

Durch den Bau der Staatsbahnstrecke im Jahre 1869 wurde das Gelände des Schießstandes („Schießgarten“) durchtrennt und der Betrieb musste eingestellt werden. Das Gebäude der Schießstatt Nr. 2, auch „Kasino“ genannt, wurde später von anderen Vereinen5 (kurzzeitig bspw. vom Deutschen Turnverein) bzw. dem jeweiligen Pächter des Rathaus-Gasthauses am Hauptplatz genutzt, da zu diesem ein Gastgarten („Rathausgarten“) im südlichen Teil des Stadtparks gehörte, der vom Kasino aus bewirtet wurde. 1959 wurde es gemeinsam mit dem alten Zeughaus abgebrochen und hier das im Jahr darauf eröffnete heutige Feuerwehrhaus errichtet.

Mit der seitens der Staatseisenbahngesellschaft bezahlten Ablöse wurde eine neue Schießstätte (Nr. 3) jenseits der Bahnstrecke, also im Bereich des heutigen Bundesschulzentrums bzw. der dortigen Sportanlage errichtet. Da die neue Lokalität weniger gemütlich und durch die Überquerung der Geleise auch mühseliger zu erreichen war, kam es nach der Verlegung der Schießstätte bald zum Erliegen der Aktivitäten der Schützen. Nach einem kurzzeitigen Aufblühen Mitte der 1880er Jahre wurde das Schießstattgebäude (Nr. 3) durch die Gemeinde zu einem Notspital (Quarantäne für Infektionskranke) adaptiert und von dieser angekauft. Im Jahre 1899 verkaufte die Stadtgemeinde das Areal schließlich an die in Gründung befindliche Ziegeleigenossenschaft und das hier errichtete Ziegelwerk, zuletzt im Besitz der Stadtgemeinde, war bis in die 1960er Jahre aktiv.

Nach dem neuerlichen Verlust der Schießstätte organisierten sich die Schützen 1899 unter dem Namen „Mistelbacher Schützengilde“ neu zusammen, doch beschränkten sie ihre Tätigkeit vorerst auf das Kapselschießen im Saal des Hotel Rathaus in den Wintermonaten. Durch regen Zulauf an Mitgliedern bestärkt, fasste man einige Zeit später wieder den Beschluss zur Errichtung eines Feuerschießstandes und 1906 konnte dieses aufwändige Vorhaben realisiert und im unverbauten Gebiet links der Bahnstrecke auf Höhe des heutigen Schützenweges eine neue Schießstätte (Nr. 4) errichtet werden.6

Die außerhalb der Stadt gelegene Schießstatt Nr. IV auf einer Ansicht um etwa 1910; der unterhalb davon schräg verlaufende Feldweg ist heute die Pater Helde-StraßeDie außerhalb der Stadt gelegene Schießstatt Nr. 4 auf einer Ansicht um etwa 1910;
der unterhalb davon schräg verlaufende Feldweg ist heute die Pater Helde-Straße

 

Die "Skyline" Mistelbachs mit Blick Richtung Westen um etwa 1910 - im Hintergrund ist die neue Schießstätte erkennbar.Die „Skyline“ Mistelbachs mit Blick Richtung Westen um etwa 1910 – im Hintergrund ist die neue Schießstätte (Nr. 4) erkennbar.

 

Gruppenfoto anlässlich der Eröffnung der Schießstätte (Nr. IV) auf dem Gelände des heutigen Schützenwegs im Jahre 1906Gruppenfoto anlässlich der Eröffnung der Schießstätte (Nr. 4) auf dem Gelände des heutigen Schützenwegs im Jahre 1906

Wie oben bereits erwähnt hieß die heutige Museumsgasse vormals Schießstattgasse, und nachdem sich die Schießstätte (Nr. 4) nun weiter außerhalb befand, wurde 1913 beschlossen diesen Straßennamen auch auf die (bisherige und heutige) Parkgasse auszudehnen, die zum Bahnübergang und der dahinterliegenden neuen Schießstätte hinführte.7 Der neue Straßenname konnte sich jedoch nicht durchsetzen und geriet bald wieder in Vergessenheit. Die Schießstätte wurde während der Kampfhandlungen um Mistelbach im April 1945 völlig zerstört und die Besatzungsmächte verboten sämtliche Schützenvereine, da sie als militärische Organisationen qualifiziert wurden. Insbesondere im sowjetisch besetzten Teil des Landes war eine Wiedergründung der Vereine erst nach der Wiedererstehung des souveränen Staates Österreich 1955 möglich. Zunächst entstanden zwei getrennte Vereine: Ende 1955 die Schützengilde Mistelbach, die ihr Kapselschießen im „Gasthaus zum goldenen Kreuz“ (Fam. Neumayer) in der Wiedenstraße abhielt8 und im Jänner 1956 der Schützenverein Mistelbach der sein Kapselschießen im Kino des Gasthauses „Zur goldenen Krone“ (Pächter: Franz Pollak) in der Oberhoferstraße veranstaltete9. Was auch immer die Gründe für diese anfängliche Trennung in zwei Vereine war, sie wurde im Mai 1957 überwunden und die beiden Vereine fusionierten unter dem Namen Schützenverein Mistelbach.10 Auch in den folgenden Jahren beschränkte man sich auf das sogenannte Zimmergewehrschießen (=Kapselschießen), dass in verschiedenen Gasthäusern der Stadt (Gasthaus „Zum Rebhuhn“ (Petsch-Filippinetti bzw. Schatz) und „Zur goldenen Krone“ (Heindl bzw. Pollak) gepflogen wurde.11 Mitte der 1960er Jahre befasst man sich dann wieder mit der Frage der Neuerrichtung einer Schießstätte. Der alte Standort, der lediglich vom Fürsten Liechtenstein gepachtet war, kam aufgrund des zwischenzeitlich erfolgten Siedlungsbaus ringsum nun nicht mehr in Frage und so entschied man sich zwar in derselben Gegend zu verbleiben, aber die Schießstätte etwas weiter außerhalb im Bereich der heutigen Spreitzergasse neu zu errichten. Das Eröffnungsschießen auf Schießstatt Nr. 5 fand schließlich im Juni 1968 statt.12

 

1968: die noch im Bau befindliche Schießstatt Nr. 5;1968: die noch im Bau befindliche Schießstatt Nr. 5

 

Das Siedlungsgebiet westlich der Bahnstrecke Mitte/Ende der 1970er Jahre. orange gestrichelte Linie: der heutige Schützenweg; gelbes Kästchen: einstiger Standort der Schießstätte Nr. 4 (1906 bis 1945); roter Pfeil: Schießstätte Nr. 5 (1968-1981);Das Siedlungsgebiet westlich der Bahnstrecke Mitte/Ende der 1970er Jahre.
orange gestrichelte Linie: der heutige Schützenweg;
gelbes Kästchen: einstiger Standort der Schießstätte Nr. 4 (1906 bis 1945);
roter Pfeil: Schießstätte Nr. 5 (1968-ca. 1980);

Den Namen Schützenweg erhielt diese im Zuge des Siedlungsausbaus angelegte Straße mit Beschluss des Gemeinderates vom 8. Mai 196713, schließlich befand sich die Straße auf dem Gelände der alten Schießstätte und sie sollte wenig später die Zufahrt zur einige hundert Meter außerhalb verlegten neuen Schießstätte bilden. Es war jedoch bereits damals aufgrund der zunehmenden Bautätigkeit in der benachbarten absehbar, dass eher früher als später das Ende dieser Schießstätte kommen würde. Daher wurde bereits 1981 im Bereich des Totenhauer Waldes, und damit in Nachbarschaft zum Übungsgelände des Bundesheeres, auf einem vier Hektar großen Areal die heutige moderne Schießstatt (Nr. 6) errichtet. Mit Beschluss des Mistelbacher Gemeinderats vom 12. Dezember 2018 wurde übrigens der zum Schießplatz führenden Straße der Name „Zur Schießstätte“ gegeben.

Wo befindet sich der Schützenweg?

 

Bildnachweis:
-) historische Ansichtskarten bzw. Foto von der Eröffnung der Schießstätte 1906: aus der Sammlung von Herrn Gerhard Lichtl – digitalisiert und zur Verfügung gestellt von Herrn Otmar Biringer
-) Ansicht altes Zeughaus: Ausschnitt einer Ansichtskarte aus der Sammlung von Herrn Gerhard Lichtl, digitalisiert von Otmar Biringer
-) Luftaufnahme der Siedlung links der Bahnstrecke: Stadtmuseumsarchiv Mistelbach

Quellen:

  1. Fitzka, Karl: Geschichte der Stadt Mistelbach (1901), S. 222
  2. Göstl, Georg/ Leithner, Johann/ Weidlich, Alfred/ Steiner, Oskar/ Kummer, Johann: „Mistelbacher Chronik von 1914 bis 1988“, Band IV (1989) der Reihe Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart, S. 92f
  3. Spreitzer, Prof. Hans: „Von den Häusern, Straßen, Gassen und Plätzen Mistelbachs“ In: Mitscha, Univ.-Prof. Dr. Herbert (Hrsg.): Mistelbach – Geschichte I (1974), S. 216, 272
  4. Spreitzer, Prof. Hans: „Häuser, Menschen und Schicksale um den Mistelbacher Hauptplatz“ (7. Fortsetzung) In: Mistelbacher Bote, Nr. 6/1954, S. 2
  5. Fitzka, Karl: Geschichte der Stadt Mistelbach (1901), S. 352
  6. Fitzka, Karl: Ergänzungs- und Nachtragsband zur Geschichte der Stadt Mistelbach (1912), S. 134ff
  7. Verhandlungsschrift über die öffentliche Gemeindeausschusssitzung vom 31. Oktober 1913 In: Mistelbacher Bote, Nr. 45/1913, S. 5
  8. Mistelbacher Bote, Nr. 3/1956, S. 4
  9. Mistelbacher-Laaer Zeitung, Nr. 5/1956, S. 2;
    Mistelbacher Bote, Nr. 5/1956, S. 5
  10. Mistelbacher-Laaer Zeitung, Nr. 23/1957, S. 2;
    Mistelbacher Bote, Nr. 23/1957, S. 2
  11. Mistelbacher-Laaer Zeitung, Nr. 34/1956, S. 3;
    Mistelbacher-Laaer Zeitung, Nr. 28/1957, S. 2;
    Weinviertler Nachrichten, Nr. 15/1960, S. 3;
    Weinviertler Nachrichten, Nr. 8/1964, S. 3
  12. Weinviertler Nachrichten, Nr. 23/1968, S. 2
  13. Amtliche Mitteilungen der Stadtgemeinde Mistelbach, Folge 126 (Juni 1967), S. 6
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