Ziegelofengasse (Lanzendorf)

Wie fast überall im Weinviertel gab es auch in Lanzendorf im Laufe der Jahrhunderte mehrere Ziegelproduktionsstätten in Form von Lehmgruben und Ziegelöfen. Fünf ehemalige Standorte werden in der Publikation „Ziegelöfen und Lehmabbaue der politischen Bezirke Mistelbach und Gänserndorf“ von Christian F. Ramml angeführt, wobei der Autor auch Hinweise auf weitere mögliche, jedoch ungeklärte Produktionsstätten in bzw. um Lanzendorf dokumentiert.

Südwestlich außerhalb des Ortsgebiets und zwar auf dem bewaldeten Gelände hinter der Tischlerei Ranftler, befand sich einst der „Stacher“-Ziegelofen, dem die dorthin führende Straße ihren Namen zu verdanken hat. Bereits zur Mitte des 19. Jahrhunderts werden hier Ziegelschuppen erwähnt, damals im Besitz von Mathias und Theresia Frank und diese gingen 1868 in den Besitz von Leopold und Theresia Stacher über. Durch Stacher wurde der Betrieb mittels Ankauf umliegender Gründe erheblich erweitert. In die Schlagzeilen geriet der Ziegelofen der Familie Stacher Anfang des Jahres 1900 als hier ein Streit rund um ein Kartenspiel zwischen zwei betrunkenen Ziegelarbeitern mit einer tödlichen Messerattacke endete.1 Dieser Zwischenfall kann auch als Ausdruck für die soziale Verwahrlosung der meist zugewanderten Ziegelarbeiter angesehen werden, die damals für äußert kargen Lohn schwer schuften mussten und samt ihren Familien ein elendes Dasein fristeten. 1901 übernahmen schließlich die Söhne des Ehepaares Stacher die Ziegelei und jedenfalls bis 1924 scheint diese laut dem Eintrag in einem Gewerbeadressbuch aktiv gewesen zu sein.2 Da sie in der Ausgabe des Jahres 1928 jedoch nicht mehr aufscheint, ist anzunehmen, dass der Betrieb Mitte der 1920er Jahre eingestellt worden sein dürfte.3

Von den oben erwähnten weiteren Ziegeleien auf Lanzendorfer Gemeindegebiet bestand zuletzt zeitgleich nur mehr jene der Familie Mitscha-Märheim, die sich etwas weiter außerhalb des Ortes, nahe der an der heutigen Umfahrungsstraße gelegenen Halle befand und hier endete die Ziegelproduktion etwa Anfang/Mitte der 1930er Jahre.4

Auf dem weitläufigen Areal des einstigen Stacher-Ziegelofens, das heute zum oben erwähnten Tischlereibetrieb gehört, finden sich auch heute noch bauliche Überreste des Ziegelofens und ein alter Trockenschuppen als Zeugnisse der einst hier ansässigen Ziegelei. Mit Beschluss des Mistelbacher Gemeinderates vom 27. Juni 1979 wurde die von der Lanzendorfer Hauptstraße zum ehemaligen „Stacher“-Ziegelofen führende Straße „Ziegelofengasse“ benannt.5

Wo befindet sich die Ziegelofengasse?

 

Quellen:
-) Ramml, Christian Ferdinand: Ziegelöfen und Lehmabbaue der politischen Bezirke Mistelbach und Gänserndorf (Niederösterreich): Geschichte
und Geologie – Archiv für Lagerstättenforschung, Band 27 (2014), S. 322ff

  1. Znaimer Wochenblatt, 10. Februar 1900, S. 7f (ONB: ANNO);
    Kremser Zeitung, 11. Februar 1900, S. 6 (ONB: ANNO)
    (Anm.: Vermutlich fälschlicherweise wird in den wortgleichen Berichten der Ziegelofen des Josef Stacher erwähnt)
  2. Mosse, Rudolf (Hrsg.): Adressbuch von Oesterreich für Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft 1924, S. 199
  3. Mosse, Rudolf (Hrsg.): Adressbuch von Oesterreich für Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft 1928, S. 306
  4. Die Ziegelei der Herrschaft Ebendorf (=Familie Mitscha-Märheim) scheint zuletzt in Mosse, Rudolf (Hrsg.): Adressbuch von Oesterreich für Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft 1931, S. 303 auf. In der Ausgabe des Jahres 1937 findet sich keine Erwähnung mehr.
  5. Mitteilungen der Stadtgemeinde Mistelbach, Folge 212, Oktober 1979 (ohne Seitennummerierung)
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