Unglaublich welchen Weg so manches Buch hinter sich hat, denn wer hätte gedacht, dass sich ein Exemplar der Geschichte der Stadt Mistelbach von Karl Fitzka in der Bibliothek der US-amerikanischen Eliteuniversität Harvard befindet? Das 1901 in Mistelbach erschienene Buch gelangte offenbar auf irgendwelchen Wegen über den Atlantik und 1919 durch den Charles Minot Fund, einem durch einen Harvard Absolventen eingerichteten Fonds zum Zwecke des Bücherankaufs für die Harvard Universitätsbibliothek, in deren Bestände. Das Internetunternehmen Google scannt seit vielen Jahren bereits Bücher, deren Urheberrecht abgelaufen ist, in Bibliotheken weltweit und stellt diese digital auf Google Books online. Obwohl der Autor Karl Fitzka bereits seit mehr als 100 Jahren verstorben ist, ist das Buch aus kaum nachvollziehbaren Gründen in Europa leider nicht online verfügbar, aber in den USA und zufällig stieß der Autor dieses Blogs während eines Aufenthalts in den Vereinigten Staaten auf dieses digitale Fundstück. Übrigens werden im Internet, als auch im Buchhandel teure (und schlechte) Buchversionen dieses Google Scans zum Verkauf angeboten.
In Übereinstimmung mit den Richtlinien von Google Books soll die digitale Version dieses Buches im Rahmen dieses Blogs allen Interessierten zur Verfügung gestellt werden.
Karl Fitzka: Geschichte der Stadt Mistelbach
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Die wenigen aus der Zeit vor Ende des 18. Jahrhunderts überlieferten Darstellungen des Kirchenbergs zeigen, dass an dessen höchstem Punkt einst drei Sakralbauten standen. Bei dem Bild rechts handelt es sich um die Kopie einer Darstellung aus der Zeit zwischen 1755 und 1784, deren Original einst im Kolleg hing und das seit den Kriegswirren 1945 als verschollen gilt. Zwischen der heutigen Pfarrkirche und der Katharinenkapelle (=Karner) stand also eine weitere Kirche, deren Grundmauern bei der umfassenden Kirchenrenovierung 1935 und der gleichzeitig stattfindenden Neuanlage eines Gräberfeldes, wiederentdeckt wurden. Die damals angefertigten Pläne über die Lage der Grundmauern gingen leider ebenso wie das oben erwähnte Bild 1945 verloren.
Auf dieser Kopie einer alten, verschollenen Darstellung ist zwischen Pfarrkirchen und Katharinenkapelle (=Karner) klar eine weitere Kirche erkennbar
Prof. Mitscha-Märheim kam zu dem Schluss, dass es sich bei dem verschwundenen Kirchenbau vermutlich um die alte romanische Pfarrkirche Mistelbachs gehandelt hat, die auch bereits dem hl. Martin geweiht war und deren Patrozinium wohl auf die neue, Ende des 15. Jahrhunderts errichtete, Pfarrkirche überging. 27 Stufen führten in eine unter der alten Kirche gelegene Gruftkapelle, die durch einen Gang auch mit dem Karner verbunden war und in der die Herren von Mistelbach, ehe dieses Geschlecht 1371 ausstarb, beigesetzt wurden. Einen Einblick in die mit Knochen angefüllte Krypta, deren Decke von zahlreichen Säulenpfeilern getragen war und in deren Mitte sich ein Armeseelenaltar befand, gibt der untere Teil des untenstehenden Wallfahrtsbildchens.
Die älteste Abbildung der Marienstatute aus dem 18. Jahrhundert in zur damaligen Zeit üblicher aufwändiger Bekleidung.
Obenstehend eine Planskizze über die zwischen Pfarrkirche und Karner aufgefundenen Grundmauerreste, basierend auf Aufzeichnungen von P. Innozenz Krall. Die detaillierten Originalpläne über die Ausgrabungen gingen 1945 verloren.1 Im Gegensatz zur Abbildung in „Mistelbach: Geschichte I“ wurde auf der hier vorliegenden Skizze, die aus dem Göstl-Archiv stammt, von unbekannter Hand (Georg Göstl selbst?) auch versucht auf Basis der gefundenen Mauerreste den Grundriss der alten Kirche abzuleiten (grau eingezeichnet). Der halbrunde apsisartige Abschluss zur heutigen Pfarrkirche hin zeigt, dass sich der Urheber dieser Rekonstruktion augenscheinlich an der oben abgebildeten ältesten (und für lange Zeit einzigen) bildlichen Überlieferung der Kirche orientierte. Eine Apsis müsste wie man auch am Grundriss der Pfarrkirche bzw. des Karners erkennen kann allerdings ostwärts gerichtet sein. Stattdesseen dürfte es sich beim westseitig gelegenen Anbau um eine Art Vorraum/Eingangsbereich gehandelt haben. Dem unbekannten Urheber gelang es nicht alle Fundstellen (siehe die unterhalb gelegenen Mauerreste in blau und orange markiert) in den von ihm vermuteten Grundriss zu integrieren.
Als die Urform der heutigen, wesentlich größeren Pfarrkirche fertiggestellt worden war, unter anderem aus Steinen der unmittelbar danebengelegenen verwaisten Burg, verfiel die alte Gruftkirche zusehends und das geistliche Leben konzentrierte sich nunmehr auf die neue Kirche. Mitte des 17. Jahrhunderts war Gruftkirche bereits sehr baufällig und wurde als teils einsturzgefährdet beschrieben, ehe sie als Marienwallfahrtsort in Mistelbach und der umliegenden Region unter den Namen „Unsere liebe Frau auf dem Berg“ bzw. „Maria in der Gruft“ oder „Maria in der Gstettn“ neuen Aufschwung erleben sollte. Der Name „Maria in der Gstettn“ rührt übrigens daher, dass der heute bewaldete Kirchenberg früher als Weidefläche Nutzung fand, und erst im Zuge der Errichtung der Liechtenstein-Parkanlage zu Ende des 19. Jahrhunderts mit Bäumen bepflanzt wurde.
Auslöser der Wallfahrten war folgende Begebenheit: Am 25. April 1749 ging Rosina Bacher, eine 45-jährige Hauersgattin aus Mistelbach in die Gruftkirche, in die sich ob ihres baufälligen Äußeren nur mehr wenige wagten, um für die armen Seelen im Fegefeuer zu beten. In der Krypta fiel ihr Blick dann auf eine bis dahin wenig beachtete Marienstatue, die in einer Seitennische stand. Es handelte sich dabei um eine frühbarocke bemalte Holzstatute, eine sogenannte Pietà, also eine Darstellung Marias mit dem Leichnam des vom Kreuze abgenommenen Jesus Christus. Im Barock war es üblich solche Statuen prachtvoll einzukleiden und auszustaffieren, bspw. mit einer Krone oder einem Strahlenkranz, aber diese Pietà war nur mehr mit einem schäbigen, weißen Stückchen Stoff behangen. Rosina Bacher entschloss sich der Statue ein würdiges Kleid zu nähen, vernachlässigte dieses Vorhaben allerdings bald aufgrund anderer Hausgeschäfte. Als sie im April des folgenden Jahres im Weingarten arbeitete wandte sich Frau Bacher, deren sechsjährige Tochter an einem sich verschlimmernden Augenleiden litt, an Gott und insbesondere an die hl. Jungfrau mit der Bitte ihr den Gnadenort anzuzeigen, an den sie sich wenden sollte, um für die Genesung ihrer Tochter zu beten. So wandte sie sich im Weingarten stehend Richtung Föllim, wo damals der Gnadenort Mariahilf lag, zu dem sie bereits mehrfach gepilgert war, doch sie spürte wie ihr Kopf wie von zwei unsichtbaren Händen von dieser Richtung abgewendet wurde. Ebenso erging es ihr als sie sich jeweils in Richtung der anderen berühmten Wallfahrtsorte Maria Oberleis, Mariazell und Maria Schoßberg (Slowakei) wandte. Als sie schließlich zur Mistelbacher Kirche blickte erschien nur ein paar Schritte von ihr entfernt die Mutter Gottes, so wie sie in der Gruftkirche dargestellt war. Sie legte ein Gelübde ab und die Erscheinung verschwand. Als Frau Bacher nach Hause eilte, berichtete ihre Tochter bereits von der Besserung ihres Leidens und gesundete in weiterer Folge. Als Dank nähte sie der Marienstatute ein prachtvolles Gewand und verzierte ihr Haupt mit einer Krone und besuchte die Krypta nun regelmäßig.
Weitere Gebetserhörungen (zunächst von anderen Mitgliedern der Familie Bacher) führten bald zu einem stetig steigenden Zustrom zu den Andachten in der Gruftkirche und die bald einsetzenden Wallfahrten wurden vom damaligen Barnabitenprobst Don Martin Braun nach Kräften gefördert. In der Folge wurde die Kapelle samt der Gruft aufwändig renoviert und baulich erweitert, und die Pietà stand fortan an einem Ehrenplatz. Die Jahrhunderte überdauert hat ein sogenanntes Mirakelbuch, dass sich heute im Kloster befindet, und genau Protokoll führte über die Gebetserhörungen, die sich damals ereigneten. Darin sind 77 Erwachsene und 51 Kinder angeführt, überwiegend Bauern und kleine Handwerker bzw. deren Kinder, die sich mit ihren Sorgen und Leiden an die heilige Jungfrau gewandt hatten und denen auf wundersame Weise geholfen wurde. Es handelt von „Augenleiden, Geschwulsten, Dippeln, Fußleiden, Fraisen (Krampfanfällen), Zahnschmerzen, verschluckten Knochen bzw. Glasscherben oder krankem Vieh“, und allerlei weiteren Nöten der einfachen Leute.
Aufgrund eines Erlasses Kaiser Joseph II. fand das rege Wallfahrtswesen der damaligen Zeit ein Ende und die Kirche musste 1784 abgebrochen und die Gruft zugeschüttet werden. Turm, Dachstuhl und Blechdach wurden an den Meistbietenden verkauft. Der Altar kam in die Kirche nach Eibesthal, die Kanzel nach Altenwörth und das Ewige Licht nach Altruppersdorf. Die Pietà übersiedelte in die Pfarrkirche und wurde Hauptzierde des mittlerweile abgekommenen Marienaltars. In den 1930er Jahren wurde die inzwischen sehr wurmstichig gewordene Statue umfassende restauriert. Auch die Kreuzwegbilder wurden in der Blütezeit der Wallfahrten für die abgetragene Gruftkirche angefertigt und zieren heute die Pfarrkirche.
Der heute nicht mehr existierende Altar in der Marienkapelle der Pfarrkirche, in deren Mitte sich die Pietà befand
Die einstmals angeblich wundertätige Schmerzensmutter-Statute nach ihrer Renovierung, mit den aus der Barockzeit stammenden Kronen
Das heutige Erscheinungsbild der Statue in der Marienkapelle der Pfarrkirche St. Martin
Bildnachweis:
-) Lageplan Maria in der Gruft: Göstl-Archiv
-) die Pietà heute: Thomas Kruspel, 2016
Quellen:
-) Mitscha-Märheim, Univ.-Prof. Dr. Herbert: Die mittelalterlichen Bauten auf dem Mistelbacher Kirchenberg In: Mitscha-Märheim, Univ.-Prof. Dr. Herbert (Hrsg.): Mistelbach Geschichte I (1974), S. 83ff
-) Spreitzer, Prof. Hans: Unsere liebe Frau auf dem Berg in: Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 2 (1969), S. 111ff
-) Fitzka, Karl:Geschichte der Stadt Mistelbach Band I (1901), S. 93f
-) Brunhuber, Karlheinz: Aus dem Mirakelbuch Maria in der Kruften in: Heimat im Weinland, Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (1980), S. 52ff
-) Jakob, Christa u. Cantonati, Benjamino: 500 Jahre Pfarrkirche Mistelbach (2016), S. 52f
„Millionendiebstahl in Mistelbach“, so oder ähnlich lauteten Schlagzeilen, die sich am 22. März 1919 in vielen großen österreichischen Tageszeitungen fanden, und unter denen über einen spektakulären Coup berichtet wurde. In der Nacht auf Freitag, den 21. März 1919 hatte eine Diebesbande aus Wien einen Einbruch im Steueramt, das sich damals im Gebäude des Bezirksgerichts am Hauptplatz befand, verübt und dabei rund 1,2 Millionen Kronen erbeutet. Mittels des (historischen) Währungsrechners der Österreichischen Nationalbank ergibt sich ein heutiger Gegenwert von rund 229.000 €. Natürlich kann dies nur als Annäherungswert verstanden werden, bedeutet aber jedenfalls, dass die oben genannte Beute, obwohl die österreichische Kronenwährung nach der Niederlage des Ersten Weltkriegs bereits deutlich an Wert verloren hatte, dennoch eine gewaltige Summe darstellte.
Die fünfköpfige Bande, deren Mitglieder großteils polizeibekannt waren, fuhr am Tag vor der Tat, teils mit dem späteren Fluchtauto, teils mit der Staatsbahn von Wien nach Mistelbach. In der Nacht schließlich stand der Fluchtwagen samt Fahrer startbereit, während sich die Einbrecher ans Werk machten und mit einem Dietrich das Tor zum Bezirksgerichtsgebäude öffneten. Während einer von ihnen Schmiere stand, drangen seine Kumpane weiter ins Gebäude vor und verschafften sich durch das Aufsprengen mehrerer Türschlösser Zugang zum Kanzleiraum des Steueramtes. In diesem fanden sie die große eiserne Kasse, die sie mithilfe eines autogenen Schweißgerätes knackten und deren Inhalt verstauten sie in mitgebrachten Taschen, Rucksäcken und ihrer Kleidung. Die Täter mussten ihr Einbruchsziel im Vorfeld sehr gut ausgekundschaftet haben, da sie äußert geschickt vorgingen und es insbesondere vermieden hatten, den im 1. Stock im hinteren Teil des Gebäudes wohnenden Amtsdiener des Bezirksgerichts auf sich aufmerksam zu machen. Anschließend flohen sie mittels des Fluchtwagens nach Wien, doch noch im frühen Morgengrauen und bevor der Einbruch bemerkt wurde, endete ihre Flucht aufgrund einer Motorpanne auf der Brünner Straße kurz vor Stammersdorf. Ein Volkswehrmann in Zivil wurde auf das eigenartige Quintett aufmerksam, dass eilig die Flucht ergriff. Die sofort alarmierte Polizei und Volkswehr, konnte die Täter, die zu Fuß über Felder in verschiedene Richtungen flüchteten, bald stellen. Im Zuge der Festnahme hatte sich jedoch einer der Täter mit Revolverschüssen leicht selbst verletzt. Einige tausend Kronen gingen bei der Sicherstellung der Beute verloren, was einerseits dem an diesem Tag herrschenden starken Wind zugeschrieben wurde, andererseits wurden Passanten und Schaulustige verdächtigt, sich an der im Fluchtwagen teilweise zurückgelassenen Beute bedient zu haben.
Die Festgenommenen wurden dem Kreisgericht Korneuburg übergeben und im Rahmen eines Prozesses, der im darauffolgenden September stattfand, zu mehrjährigen schweren Kerkerstrafen verurteilt.
Quellen: -) Mistelbacher Bote, Nr. 13/1919, S. 2f 1Wiener Abendpost, 10. September 1919 (Nr. 206), S. 4 (ONB: ANNO)
-) Wiener Zeitung, 12. September 1919 (Nr. 208), S. 3 (ONB: ANNO)
-) Reichspost, 22. März 1919 (Nr. 138), S. 7 (ONB: ANNO)
-) Arbeiter-Zeitung, 22. März 1919 (Nr. 80), S. 5 (ONB: ANNO)
-) Deutsches Volksblatt, 22. März 1919 (Nr. 10852) , S. 5 (ONB: ANNO)
Bevor am 6. Oktober eine weitere Publikation zur Geschichte Mistelbachs, nämlich der Bildband „Das alte Mistelbach und seine Katastralgemeinden in früherer Zeit“ (Herausgeber: Josef Bauer, Günter Hollaus, Karl Kleibl, Hubert Loibl & Oskar Steiner; Verlag: Ed. Winkler-Hermaden) präsentiert wird (siehe Termine rechts), soll an dieser Stelle auch noch auf ein besonderes Buchprojekt hingewiesen werden, das schon abgeschlossen ist, aber leider noch seinem Druck und damit seiner Veröffentlichung harrt. Es handelt sich um die Kulturdenkmäler-Bücher von Fr. Christa Jakob. Leider wurde die Bestellmenge, die für die Druckauftragserteilung durch die Gemeinde notwendig ist, trotz Medienberichten, noch nicht erreicht, aber vielleicht finden sich noch einige Geschichtsinteressierte, die sich anmelden und damit beitragen, dass dieses großartige Werk endlich herausgegeben werden kann.
Hier nochmals der Text der Newsmeldung auf der Homepage der Stadtgemeinde, die zu Beginn des Jahres erschien:
Pest- und Sühnekreuze, Bildstöcke, Lichtsäulen und Feldkreuze gehören zum sakralen Landschaftsbild unserer Heimat. Doch wo liegen Ursprung und Bedeutung, wer ist Eigentümer und Betreuer? All das und vieles mehr zu den kulturellen Zeugnissen der Vergangenheit, aber auch der Gegenwart findet man in den Büchern „Kulturdenkmäler Mistelbach“ und „Kulturdenkmäler Ortsgemeinden Mistelbach“. Frau Christa Jakob hat sich in mühevoller Arbeit auf Zeitreise begeben, die einzelnen Objekte erfasst, ihre Geschichte aufgearbeitet und für die Nachwelt aufbereitet. Entstanden ist ein umfangreiches Werk, das sämtliche kulturelle Zeugnisse der Vergangenheit und Gegenwart zusammenfasst.
Im Bürgerservice der StadtGemeinde Mistelbach liegt jeweils ein Ansichtsexemplar der beiden Bücher auf. Wenn Sie Interesse haben und eines der beiden Bücher bestellen wollen, bitten wir Sie, sich in die dort aufliegende Liste einzutragen. Bei Erreichen einer Mindestanzahl, die für den Druck nötig ist, wird die StadtGemeinde Mistelbach das Buch in Druck geben und verkaufen. Die Kosten für das Buch „Kulturdenkmäler Mistelbach“ betragen 39 Euro (451 Seiten), die Kosten für das Buch „Kulturdenkmäler Ortsgemeinden“ 49 Euro (624 Seiten). Man muss übrigens nicht unbedingt persönlich im Bürgerservice der Gemeinde vorbeikommen, man kann sich auch per Mail (amt@mistelbach.at) oder telefonisch (02572 / 2515 – 2130) an die Mitarbeiter dort wenden und sich auf die Interessentenliste setzen lassen.
Steinbauer wurde 1889 als eines von sechs Kindern des Bankangestellten Gustav Steinbauer und dessen Gattin Adelheid, einer Konzertsängerin, in Wien-Leopoldstadt geboren.2 Seine Reifeprüfung absolvierte er am Jesuitengymnasium in Kalksburg und danach inskribierte er sich für ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Nach seiner Promotion im Jahr 1913 entschied sich Steinbauer für eine Laufbahn als Rechtsanwalt und trat 1916 in eine Anwaltskanzlei in Innsbruck ein. Im April 1917 wurde er zum Infanterieregiment Nr. 73 – Egerländer Hausregiment, nach Prag einberufen und war schließlich als Fähnrich – der Krieg endete vor seiner Beförderung zum Leutnant – an der Isonzofront im Einsatz.
Nach dem Krieg war Dr. Steinbauer zunächst als Beamter bei der Hauptanstalt für Sachdemobilisierung beschäftigt, die die Aufgabe hatte das Sachvermögen der ehemaligen k. u. k. Armee abzuwickeln bzw. zu verwerten.3 Ab 1921 war er als Rechtsanwalt in Wien zugelassen, und eröffnete seine Kanzlei in der Brandstätte in der Wiener Innenstadt.4 Bereits im Jahr darauf verlegte er sein Anwaltsbüro an die Adresse Jordangasse/Ecke Judenplatz.5 Im Oktober 1922 heiratete er die aus Hohenau a.d. March stammende Rosa Schweinberger und dieser Verbindung entstammten zwei Töchter und ein Sohn, der spätere ÖVP-Generalsekretär und Nationalratsabgeordnete Heribert Steinbauer.6 In der Zwischenkriegszeit war Steinbauer Mitglied im antisemitischen und antisozialistischen Geheimbund „die Burg“, der sich hinter dem Tarnverein „Deutsche Gemeinschaft“ verbarg, und dessen Ziel der Kampf gegen das „Ungeradentum“ (Judentum, Liberalismus, Kommunismus, Sozialismus, etc.) war. Diese Vereinigung rekrutierte sich hauptsächlich aus Mitgliedern deutsch-nationaler und katholischer Studentenverbindungen, die in logenartigen Gruppen zusammengeschlossen waren. Durch die streng hierarchische und konspirative Struktur dieses Geheimbundes, dem viele prominente Politiker angehörten, wussten nur die höherrangigen Mitglieder wer zu den „Burgbrüdern“ zählte und durch die Vergabe wichtiger Schlüsselpositionen in Politik und Verwaltung, an Universitäten und in der Wirtschaft an Mitglieder sicherte sich der Geheimbund Einfluss in der Ersten Republik.7
1927 übersiedelte Steinbauer mit seiner Familie nach Mistelbach, wo er sich in der heute noch bestehenden und von ihm in Auftrag gegebenen Steinbauer-Villa (neben der Elisabeth Kirche) niederließ.8 Seine Rechtsanwaltskanzlei eröffnete er im Juli 1927 an der Adresse Hafnerstraße Nr. 99 (heute: GSM Free Mistelbach), bald darauf dürfte er diese jedoch ein paar Häuser weiter in die Hafnerstraße 3 (zuletzt: Libro) verlegt haben.10 Seit seiner Studienzeit war Dr. Steinbauer Mitglied der katholischen Studentenverbindung Franco-Bavaria Wien im Cartellverband (CV), der er zeitlebens verbunden war und diese enge Bindung zu seinen Bundes- und Cartellbrüdern, ist der auch Grund für zahlreiche Besuche hoher politischer Würdenträger in der Villa Steinbauer. So besuchten ihn beispielsweise Bundespräsident Dr. Miklas und Bundeskanzler Dr. Dollfuß, die beide ebenfalls Verbindungen des Cartellverbandes angehörten, wenn sie ein Termin in die nähere Umgebung Mistelbachs führte. Auch im Vereinsleben der Stadt war Dr. Steinbauer während seiner Mistelbacher Zeit äußerst aktiv, so war er Initiator und Präsident des Vereines der Freunde des städtischen Museums11, Obmann des örtlichen christlich-deutschen Turnvereins12, Obmann des Wohltätigkeitsvereines und bei zahlreichen weiteren Vereinigungen aktiv.
Das Ehepaar Gustav und Rosa Steinbauer mit ihrer ältesten Tochter (links) Ende der Zwanzigerjahre. Außerdem auf dem Foto der Zisterzienserpater Universitätsprofessor Nivard Schlögl – ein väterlicher Freund Steinbauers seit Studientagen und Mitgründer der CV-Verbindung Franco-Bavaria Wien, der die Familie Steinbauer in Mistelbach besuchte. Das Mädchen rechts im Bild dürfte nicht zur Familie Steinbauer gehören – abgeschnitten dahinter ist eine Frau sowie der Arm eines weiteren Mädchens erkennbar.
Die Steinbauervilla in der Mitschastraße
Bald nach seiner Ankunft engagierte sich Dr. Steinbauer darüber hinaus in der christlich-sozialen Partei und war zunächst ab 1928 Obmannstellvertreter der Mistelbacher Ortsgruppe des „christlichsozialen Volksverbandes“13, ehe er 1930 zu deren Obmann avancierte14. Nach Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaat und Errichtung des „autoritären Ständestaates“ unter Führung seines engen Freundes Engelbert Dollfuß war er später Bezirksführer der nunmehrigen Einheitspartei Vaterländische Front.15 Im Zuge der Gemeinderatswahlen wurde Steinbauer 1929 als Vertreter der Christlichsozialen in den Gemeinderat gewählt und war ab der Konstituierung des Gemeinderates bis 1938 Vizebürgermeister der Stadt Mistelbach. Aufgrund einer schweren länger andauernden Erkrankung Dunkls führte Dr. Steinbauer seit Sommer 1936, als dessen Stellvertreter die Amtsgeschäfte. Besondere Verdienste erwarb er sich rund um die Verhandlungen zur Errichtung der Kaserne in Mistelbach, sowie um den Ausbau des Bezirkskrankenhauses, die beide im Jahre 1937 fertiggestellt werden konnten. Aufgrund des Ablebens von Bgm. Josef Dunkl, wurde Steinbauer im Februar 1938, in einer knappen Abstimmung im Gemeinderat, in der die NS-Gesinnung vieler Gemeindevertreter bereits offen zutage trat, mit einer Stimme Vorsprung zum letzten Bürgermeister Mistelbachs vor dem „Anschluss“ gewählt. Als Bezirksführer der Vaterländischen Front war er natürlich das erklärte Feindbild der (illegalen) Mistelbacher Nazis und wurde in dem von diesen ab 1933 veröffentlichten „Mistelbacher Beobachter – Kampfblatt gegen das jüdisch-klerikale System”, stets heftig angegriffen, beschmipft und verleumdet. Unmittelbar nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich wurde er noch in der Nacht auf den 12. März 1938 gezwungen sein Amt als Stadtoberhaupt niederzulegen und es folgten und eine sechswöchige Schutzhaft, Verhöre und mehrere Hausdurchsuchungen. Im Mai 1938 zog Dr. Steinbauer mit seiner Familie wieder zurück nach Wien.16 In weiterer Folge wurde ihm seine Zulassung als Rechtsanwalt entzogen und er stand weiterhin unter Beobachtung der Gestapo. Während dieser Zeit verdingte er sich als Konzipient in der Kanzlei eines Freundes und nach der Wiedereintragung als Anwalt zu Ende des Jahres 193917, wirkte er vorwiegend als Verteidiger vor dem Sondergericht Wien und dem Wiener Militärgerichtshof. Zunächst als „wehrunwürdig“ eingestuft, wurde Dr. Steinbauer dann 1944 doch noch zur Wehrmacht eingezogen, aber aufgrund seines politischen Engagements für „nicht-offizierswürdig” befunden und so verbrachte er das letzte Kriegsjahr als Unteroffizier, bevor er nach Kriegsende für kurze Zeit in amerikanische Gefangenschaft geriet. Ab August 1945 war er dann als Pflichtverteidiger vor dem Wiener Volksgerichtshof tätig, unter anderem wirkte er dort später auch als Verlassenschaftskurator von Edmund Glaise-Horstenau.
Beginnend im November 1945 wurde die Führungsriege des NS-Regimes, so sie sich nicht bereits durch den Freitod aus ihrer Verantwortung davongestohlen hatte, in Nürnberg im Rahmen eines aufwändigen Gerichtsverfahrens zur Rechenschaft gezogen. Auch Dr. Arthur Seyß-Inquart, eine wichtige Person rund um den „Anschluss“ Österreichs und kurzzeitig Bundeskanzler in jenen Tagen des März 1938, war beim Hauptkriegsverbrecherprozess in Nürnberg angeklagt. Die Anklagepunkte für die er sich zu verantworten hatte, standen in Zusammenhang mit seiner Rolle beim „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, aber insbesondere mit seiner späteren Tätigkeit als Reichskommissar in den Niederlanden und seiner Mitwirkung bei der Auslöschung der dortigen jüdischen Bevölkerung. Der frühere Wiener Rechtsanwalt Seyß-Inquart wandte sich an die Wiener Rechtsanwaltskammer, ob diese ihm einen Verteidiger vermitteln könne. Der zunächst vorgeschlagene Dr. Zornlaib, der Seyß-Inquart auch persönlich bekannt war, sagte jedoch aus Krankheitsgründen ab. Schließlich wurde aus einer von der Rechtsanwaltskammer erstellten Liste mit sechs Wiener Anwälten Steinbauer von einem amerikanischen Vertreter des Militärtribunals ausgewählt. Zwischen dem Verteidiger und seinem Mandanten gab es zahlreiche Parallelen: beide studierten etwa zeitgleich an der Universität Wien Rechtswissenschaften, sie wurden beide am 23. August 1921 als Rechtsanwälte zugelassen18, beide gehörten der antisemitischen Vereinigung „Deutsche Gemeinschaft“ (siehe oben) an und in den 1920er Jahren befanden sich ihre Kanzleien in der Wiener Innenstadt in geringer Entfernung zueinander.19 Laut Steinbauer kannten sie einander auch von Theaterbesuchen.
Dr. Steinbauer als Verteidiger des vormaligen Reichsstatthalters Seyß-Inquart während des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher
Oktober 1946: Dr. Steinbauer (links) mit dem im Hauptkriegsverbrecherprozess freigesprochenen früheren Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht und dessen Verteidigern Dr. Dix und Dr. Kraus
(photo credit: Robert H. Jackson Center, Jamestown, NY, USA)
Folgend ein Video vom 151. Verhandlungstag in Nürnberg, dass Dr. Steinbauer bei der Befragung von Seyß-Inquart zeigt. Leider ist die Tonqualität sehr schlecht und Dr. Steinbauer steht mit dem Rücken zur Kamera.
Obwohl Dr. Steinbauer in Opposition zum Nationalsozialismus stand und auch selbst Repressalien zu erleiden hatte, nahm er seine Tätigkeit als Verteidiger dennoch ernst und versuchte professionell seinen Mandanten bestmöglichst zu verteidigen. Aufgrund Seyß-Inquarts führender Beteiligung bei der Deportierung der niederländischen Juden, lautete das am 1. Oktober 1946 verkündete Urteil auf Tod durch den Strang und dieses Urteil wurde am 16. Oktober 1946 vollstreckt. Die Erfahrungen und Einblicke, die er insbesondere über die Vorbereitung bzw. die Phase des Anschlusses, im Rahmen des Prozesses gewonnen hatte, schrieb Dr. Steinbauer in dem 1950 erschienen Buch „Ich war Verteidiger in Nürnberg” nieder. Im Rahmen des Nürnberger Ärzteprozesses, 1946/47, wurde er erneut als Verteidiger beigezogen, diesmal für den österreichischen NS-Arzt Wilhelm Beiglböck, der „medizinische” Versuche an Insassen des KZ Dachau durchgeführt hatte. Aus dieser Arbeit resultierte eine 1949 in Form eines kleinen Büchleins veröffentlichte Abhandlung mit dem Titel „Die Euthanasie im Lichte des Nürnberger Ärzteprozesses“ in dem sich Steinbauer aus moralisch-ethischer Perspektive mit der Euthanasie auseinandersetzt.
Steinbauers Grab auf dem Neustifter Friedhof in Wien-Währing
Später setze er seine Tätigkeit als Rechtsanwalt in Wien fort und war von 1954 bis 1961 Obmann des Rechtsanwaltsklubs „Wiener Rechtsanwälte“. Im Jahr 1953 verkaufte Dr. Steinbauer sein Haus in der Mitschastraße 7 an die Handelskammer, die dort ihre Zweigniederlassung einrichtete. 1961 verstarb Dr. Gustav Steinbauer im 72. Lebensjahr und wurde auf dem Neustifter Friedhof im 18. Wiener Gemeindebezirk zur letzten Ruhe gebettet.
Bildnachweis:
-) Portrait: Ausschnitt aus einem Foto aus den Beständen des Museumsarchivs der Stadt Mistelbach
-) Familienfoto: biografischer Beitrag zu Steinbauer In: „105er“ Ortsverbandzeitschrift des Wiener Cartellverbands, 2. Ausgabe 2012/13 – das Foto stammt aus dem Besitz einer bereits verstorbenen Tochter Steinbauers. Dankenswerterweise zur Verfügung gestellt von Mag. Karl-Wolfgang Schrammel. Die im Beitrag angegebene Datierung (lt. Angaben der Tochter) 1939 ist definitiv falsch und bei dem Mädchen rechts dürfte es sich auch um keine Tochter Steinbauers handeln. Sie dürfte zu den rechts im Bild abgeschnittenen weiteren Personen (eine Frau und ein Mädchen) gehören. Wenn man als Aufnahmezeitpunkt Ende der 20er Jahre (etwa das Jahr 1929) annimmt, so passt dies einerseits zum vergleichsweise jüngeren Aussehen Steinbauers, sowie zum Alter der 1924 geborenen und wohl auf diesem Foto abgebildeten ältesten Tochter.
-) Ansichtskarte Villa Steinbauer: digitalisiert und zur Verfügung gestellt von Otmar Biringer aus der Sammlung von Herrn Lichtl
-) Wiener Kurier, 21. März 1946, S. 6
-) Grabstein: eigene Aufnahme
Quellen (& Anmerkungen):
-) Schrammel, Mag. Karl-Wolfgang: Dr. Gustav Steinbauer v. Giselher, F-B (1889-1961) – Erster Fuchs der Franco-Bavaria und Verteidiger Seyß-Inquarts im Nürnberger Prozess. Manuskript 2011
-) Gespräch mit Nationalratsabg. a.D. Heribert Steinbauer (Sohn) im August 2014
-) Eintrag zu Dr. Steinbauer im Biographischen Lexikon des Österreichischen Cartellverbandes
-) Fritz, Herbert u. Krause, Dr. Peter (Hrsg.): Farben tragen, Farbe bekennen 1938-1945 – Katholische Korporierte in Widerstand und Verfolgung, S. 535f
-) Artikel auf DiePresse.com vom 29.7.2011 über Dokumente aus dem Nachlass von Dr. Steinbauer, die die grausamen Verbrechen des NS-Arztes Dr. Beiglböck belegen
(Anm.: Die Information Dr. Steinbauer sei Angehöriger der jüdischen Gemeinde in Mistelbach gewesen, wie dies im Buch von Fr. Prof. Olga Höfler: Die jüdischen Gemeinde im Weinviertel und ihre rituellen Einrichtungen, 1848-1939/45 – der politische Bezirk Mistelbach (2017), Band 2, S. 551 dargestellt wird, ist eindeutig falsch, wie zahlreiche der oben angeführten Quellen (zB Taufbucheintrag, Trauungsbucheintrag, etc.), die Recherche seines Stammbaumes und seine gesamte Lebensgeschichte belegen.)
Ernst Oser wurde als eines von sieben Kindern in die Familie des Johann Oser, Forstmeister der Grafen Breuner auf Schloss Grafenegg, und dessen Gattin Barbara, geb. Edlinger, geboren.17 Die evangelische Familie Oser war sehr musikalisch und Sohn Ernst bereits in jungen Jahren ein begnadeter Geigenspieler.
Seine Schulausbildung erhielt er im Stiftsgymnasium Melk, und daran anschließend absolvierte er juristisch-politische Studien an der Universität Wien. Nach deren Abschluss trat Oser 1869 als Concepts-Praktikant in den niederösterreichischen Landesdienst in Wien ein, und war in seiner frühen Laufbahn auch kurzzeitig bei den Bezirkshauptmannschaften Hernals (damals noch nicht Teil Wiens) und Baden bzw. beim Landesschulrat der Niederösterreichischen Statthalterei eingesetzt. Später führte ihn sein Weg erneut nach Baden, wo er von 1874 bis 1883 an der dortigen Bezirkshauptmannschaft tätig war. In dieser Zeit war der spätere langjährige Statthalter von Niederösterreich, Erich Graf von Kielmansegg, Bezirkshauptmann von Baden, und Kielmansegg wurde zu Osers Mentor und förderte dessen weitere Karriere. 1874 heiratete er Josefine Edle von Rosthorn, die Tochter eines vermögenden Knopffabrikanten aus Wien, und dieser Ehe entstammten zwei Töchter und ein Sohn. Im November 1883 wurde Dr. Oser schließlich zum Bezirkshauptmann in Mistelbach berufen20, wo er sich unter anderem als großer Förderer des Feuerwehrwesens im gesamten Bezirk verdient machte und aus diesem Grund 1885 zum Ehrenmitglied der Freiwilligen Feuerwehr Mistelbachs ernannt wurde.21 1884 wurde auf Initiative seiner Gattin Josefine der Mistelbacher Zweigverein des Patriotischen Hilfsvereins vom Roten Kreuz gegründet und Frau Oser war bis zu ihrem Abschied aus Mistelbach auch dessen Präsidentin.22
Im November 1887 kehrte er an seinen langjährigen Dienstort Baden zurück, diesmal an die Spitze der Badener Bezirkshauptmannschaft23. Anfang des Jahres 1890 folgte dann die Berufung zurück in die Niederösterreichische Statthalterei nach Wien, wo er mit der Organisation und Leitung des neugeschaffenen Departments für „Volkswirtschaftliche und Landeskultur-Angelegenheiten, Unterrichtsstiftungen und Stipendien“ betraut wurde. Sechs Jahre später wechselte Oser in das k.k. Ackerbauministerium, wo er als Sektionschef bis zu seinem Tode tätig war und sich besondere Verdienste um das landwirtschaftliche Versuchswesen erwarb. Während seiner Tätigkeit bei der Niederösterreichischen Statthalterei bzw. im Ackerbauministerium setze sich Dr. Oser intensiv für die Schaffung einer Winzerschule an seinem ehemaligen Dienstort Mistelbach ein, die schließlich 1898 eröffnet werden konnte.
Sektionschef Dr. Ernst Oser
1894 wurde ihm eine besondere Ehre zuteil, nämlich die persönliche Überreichung des Dekrets für die Ernennung zum Hofrat durch Kaiser Franz Joseph I. Diese besondere Ehre stand wohl in Zusammenhang mit der Tragödie von Mayerling im Jahr 1889 (Freitod von Kronprinz Rudolf und seiner Geliebten Mary Vetsera), die sich während Osers Zeit als Bezirkshauptmann des Bezirks Baden und damit in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich ereignete. Als oberster Verwaltungsbeamter vor Ort war er in dieser äußerst delikaten Angelegenheit die wichtigste Ansprechperson der Hofdienststellen und auf Anordnung des Ministerpräsidenten verantwortlich für die Organisation der raschen und heimlichen Bestattung von Mary Vetsera in Heiligenkreuz. Weiters wurde er 1894 aufgrund seiner Unterstützung für die durch die Reblaus geschädigten Weinbauern von der Gemeinde Gumpoldskirchen zum Ehrenbürger ernannt.24 Bereits 1893 wurde Dr. Oser zum Ehrenbürger Mistelbachs ernannt und seit 1898 trägt eine Straße im alten Spitalsviertel den Namen Oserstraße.25
Die nach Ernst Oser benannte Straße in ihrer ursprünglichen Schreibung „Oser-Straße“ statt der heutige gebräuchlichen Schreibweise „Oserstraße“
Er verstarb am 25. September 1902 um 2 Uhr nachts in seiner in der Wiener Ungargasse Nr. 9 gelegenen Wohnung an den Folgen einer akuten Herzklappenentzündung26 Zwei Tage später wurde Osers Leichnam mit sechsspännigem Galatrauerwagen in die evangelische Kirche in der Dorotheergasse gebracht, wo der Verstorbene unter Anwesenheit mehrerer Minister, des niederösterreichischen Statthalters und zahlreicher anderer hoher Würdenträger feierlich verabschiedet wurde. Anschließend wurde der Verblichene mit dem Zug nach Waldegg bei Wiener Neustadt gebracht, wo seine sterblichen Überreste auf dem örtlichen Friedhof beigesetzt wurden.27
Wo befindet sich die Oserstraße?
Quellen & Anmerkungen:
-) Illustriertes Wiener Extrablatt vom 25. September 1902 (Nr. 265), S. 5 (ONB: ANNO)
-) Bote aus Mistelbach, Nr. 28/1902, S. 1
-) Zeitschrift für das landwirthschaftliche Versuchswesen in Oesterreich, Jg. 1902, S. 1069f (Anm.: seine Rückkehr nach Baden als Bezirkshauptmann wird hier fälschlicherweise mit dem Jahr 1885 angegeben)
-) Nowak, Rudolf R.: Das Mayerlingnetz (2015) S.111 ff
(Anm.: nachdem sich Nowak auf die Angaben im Nachruf der „Zeitschrift für das landwirthschaftliche Versuchswesen in Österreich“ stützt, ist natürlich auch die hier die Angabe seiner Rückkehr nach Baden als Bezirkshauptmann falsch)
-) Standesblatt der Niederösterreichischen Statthalterei: Dr. Ernst Oser, Niederösterreichisches Landesarchiv
-) Beiträge zur Geschichte der niederösterreichischen Statthalterei (1897), S. 491 (Link Onlinebestände Landesarchiv Niederösterreich)
Bildnachweis.
-) Zeitschrift für das landwirthschaftliche Versuchswesen in Oesterreich, Jg. 1902, S. 1069f
-) Straßenschild: eigene Aufnahme
* 20. 9.1833 in St. Bernhard im Waldviertel (Bez. Horn)28
† 6.10.1915 in Mistelbach
Karl Fitzka wurde 1833 als Sohn des Steuereinnehmers und Akteurs der Herrschaft St. Bernhard, Joseph Fitzka, und dessen Gattin Juliana, geb. Forster, geboren. Nach dem Besuch des damals sechsklassigen Gymnasiums in Horn trat er 1853 in den Steueramtsdienst ein29. Jedenfalls ab 1856 war der damalige k.k. Steueramts-Assistent Fitzka am Steueramt in Raabs an der Thaya tätig30 und schloss dort 1859 den Bund der Ehe mit der zwei Jahre älteren „Handarbeiterin“ (=Hilfskraft/Tagelöhnerin) Barbara Stolla.31 Doch bereits am Neujahrstag des Jahres 1861 verstirbt Barbara Fitzka, knapp sieben Wochen nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Ernest32, an typhösem Kindbettfieber.33 Auch Fitzkas einzigem Sohn Ernest war kein langes Leben beschieden, er verstarb im Alter von 18 Jahren in Krems, wo er den Beruf des Bäckers erlernte.34
Im Juni 1862 schloss Karl Fitzka, nunmehr Steueroffizial beim k.k. Steueramt Horn, seine zweite Ehe mit Maria Antonia, der Tochter des k.k. Notars und Landesadvokaten in Horn Simon Ebster.35 Dieser Verbindung entstammten die beiden Töchter Eva Maria36 und Hedwig37. Von 1872 bis 1875 war Fitzka beim Steueramt Scheibbs eingesetzt und nach kurzer beruflicher Tätigkeit in Krems, wurde er 1876 schließlich zum Steuerinspektor ernannt und als Vorstand dem Steuerreferat der k.k. Bezirkshauptmannschaft Mistelbach zugeteilt.38 Es erfolgte 1887 die Beförderung zum Steuer-Oberinspektor und mit dem Übertritt in den Ruhestand 1894, seine Ernennung zum k.k. Finanzrat39.
Aus Anlass seines 40-jährigen Dienstjubiläums und aufgrund seines verdienstvollen Wirkens wurde ihm 1893 gemeinsam mit Ernst Oser die Ehrenbürgerschaft der Stadt Mistelbach verliehen.40 Im Ruhestand widmete er sich dann historischen Forschungen und 1898 wurde auf seine Initiative hin das Mistelbacher Heimatmuseum gegründet, in dem er bis zu seinem Ableben als Kustos wirkte. Wann immer ein Bauer in Mistelbach und Umgebung Knochen, „Scherben“ oder ähnliches auf seinem Feld entdeckte, Finanzrat Fitzka war sofort zur Stelle, um diese Funde für das städtische Museum zu sichern. Sein bedeutendstes Werk die 1901 erschienene “Geschichte der Stadt Mistelbach in Niederösterreich”, stellte die erste umfassende Aufarbeitung der Geschichte Mistelbachs dar und diese Grundlagenarbeit bildete die Basis für die gesamte weitere lokalhistorische Forschung. Fitzka veröffentlichte Ergänzungen und Nachträge zu seinem 1901 erschienen Werk zunächst in Form von Beitragsserien im Mistelbacher Bote in den Jahren 1907 bzw. 1908.41 Durch die rasante Entwicklung Mistelbachs und eine Fülle an neuen historischen Informationen ergab sich schließlich die Notwendigkeit einen eigenen Nachtrags- und Ergänzungsband (Band II) herauszugeben, der zwar bereits 1912 verfasst, aber erst Ende 1913 veröffentlicht wurde.42 Auch ein dritter Band war bereits in Arbeit, aber es war ihm aufgrund seines hohen Alters und einer Erkrankung nicht mehr vergönnt diesen fertigzustellen. Zu Beginn des Jahres 1908 veröffentlichte Fitzka außerdem einen zweiteiligen Beitrag zur Geschichte der Gemeinde Schrick im Mistelbacher Bote.43 Herausragend war ebenso sein Engagement bezüglich der Denkmalspflege und Erhaltung kulturhistorischer Wahrzeichen, weshalb er zu einem korrespondierenden Mitglied der k.k. Zentralkommission für Kunst und Denkmalpflege ernannt wurde. Ein besonderes Anliegen war ihm auch die Erinnerung an den Mistelbacher Marktrichter Paul Oberhoffer, der in dem im 17. Jahrhundert ausgetragenen Rechtsstreit mit der Herrschaft Liechtenstein über den Mistelbacher Gemeindewald eine bedeutende Rolle spielte und dessen Verdienste er wieder in Erinnerung brachte. Auf seine Anregung hin errichtete die Gemeinde dem einstigen Marktrichter Oberhoffer 1911 einen Gedenkstein samt Büste im Mistelbacher Gemeindewald.44
Finanzrat Fitzka vor dem von ihm angeregten Denkmal für den Marktrichter Paul Oberhoffer
Ein weiteres Hobby, dass Fitzka über 60 Jahre hinweg ausübte war die Imkerei und er trat auch als Verfasser zahlreicher Beiträge in der Bienenzeitung in Erscheinung.45 In seinem langen Leben hatte Finanzrat Fitzka zahlreiche Schicksalsschläge zu erdulden, so musste er nicht nur wie weiter oben geschildert seine erste Ehefrau und den aus dieser Ehe stammenden Sohn betrauern, sondern auch seine beiden Töchter starben im jungen Erwachsenenalter an Tuberkulose46 und seine zweite Ehegattin verstarb neun Jahre vor ihm nach längerer schwerer Krankheit47.
Aufgrund seiner Verdienste wurde 1913 die Karl Fitzka-Gasse nach ihm benannt48. Nach seinem durch Altersschwäche bedingten Tode im Oktober 1915 wurde Fitzka auf dem Mistelbacher Friedhof beigesetzt.49 Die Stadt beschloss ihrem verdienten Museumsgründer und Ehrenbürger an jener Stelle an der bereits seine Gattin und Töchter ruhten ein würdiges Grabmal zu stiften, doch wohl auch aufgrund des Ersten Weltkriegs erfolgte dessen Errichtung erst im Juni 1916.50 Zwei Jahre später beschloss der Gemeinderat die Erhaltung und Pflege der Grabstätte bis auf weiteres zu übernehmen51 und 1929 wurde Fitzkas letzte Ruhestätte schließlich mittels Gemeinderatsbeschluss (auch) formal zum Ehrengrab erklärt und somit ist die Grabfürsorge dauerhaft sichergestellt.52
Das Ehrengrab von Karl Fitzka auf dem Mistelbacher Friedhof
Wo befindet sich die Karl Fitzka-Gasse?
Bildnachweis:
-) Portrait aus den Beständen des Stadtmuseumsarchiv Mistelbach;
-) Foto beim Oberhoffer-Denkmal: Fitzka, Karl: Nachtrags- und Ergänzungsband zur Geschichte der Stadt Mistelbach (1913)
-) Grab: eigene Aufnahme (2016);
Quellen: -) Nachruf: Mistelbacher Bote, Nr. 14/1915, S. 3f
(in diesem Nachruf wird als Geburtsort fälschlicherweise St. Leonhard am Forst angegeben, die Einträge in den Pfarrmatriken belegen jedoch St. Bernhard bei Horn als Geburtsort.)
-) Nachruf: Oesterreichische Landzeitung, Nr. 42/1915, S. 16 (ONB: ANNO)
(die in diesem Nachruf angeführten Information seine Ernennung zum Finanzrat sei mit einer Versetzung nach Wien verbunden gewesen ist falsch. Der Titel eines Finanzrats wurde ihm anlässlich seines Übertritts in den Ruhestand verliehen)
Der Autor dieses Blogs beschäftigt sich seit Jahren sehr intensiv und mit Begeisterung mit der Geschichte Mistelbachs. Das durch langjährige Recherchen zu verschiedensten Projekten angesammelte Wissen zur Mistelbacher Geschichte, soll nun mittels dieses Blogs der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Unter anderem wird den Personen nach denen in Mistelbach Straßen benannt sind nachgespürt, die Geschichte von ehemaligen Mistelbacher Traditionsbetrieben bzw. Institutionen soll dargestellt werden, und über bestimmte bedeutende Ereignisse und Persönlichkeiten aus Mistelbach berichtet werden. Kurzum alles was mit der Geschichte dieser Stadt zu tun hat und es ist geplant etwa alle 10 Tage einen neuen Beitrag zu veröffentlichen.
1898 wurde ein Museum gegründet, das sich der Geschichte der Stadt Mistelbach widmet und auch im heutigen Stadt-Museumsarchiv wird von einem sehr engagierten Team Großartiges geleistet. Wem der erste Beitrag in einem Blog zur Geschichte Mistelbachs gewidmet sein soll, war von Anfang an klar, nämlich dem Initiator der Mistelbacher Heimatforschung und Gründer des Heimatmuseums: Finanzrat Karl Fitzka.
Anregungen, weiterführende Hinweise und Kritik sind natürlich gerne willkommen.