Älteste bildliche Darstellungen von Mistelbach

Georg Matthäus Vischers Darstellung 1670

Die älteste bildliche Darstellung von Mistelbach findet sich auf der vom Topografen und Kartografen Georg Matthäus Vischer 1670 geschaffenen Karte mit dem Titel „Archiducatus Austriae Inferioris Accuratissima Geographica Descriptio“. Diese Karte und die etwas später veröffentlichten Kupferstiche von bedeutenden Orten und Schlössern (zB Ebendorf und Paasdorf) wurden bereits im Beitrag Mistelbach und seine Katastralgemeinden in Vischers Niederösterreich Karte u. Topographie behandelt. Nachdem von Mistelbach leider kein Detail-Kupferstich vorliegt, soll nachfolgend die Darstellung Mistelbachs auf Vischers Karte einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden.

So wird Mistelbach auf Vischers Karte dargestellt. Der durchbrochene weiße Kreis zeigt laut Legende an, dass es sich um einen "Markt", also einen Ort mit Marktrecht handelt. Unterhalb Mistelbachs verläuft die Zaya. Mit den tatsächlichen Gegebenheiten ist diese Darstellung nicht in Einklang zu bringen.So wird Mistelbach auf Vischers Karte dargestellt. Der durchbrochene weiße Kreis zeigt laut Legende an, dass es sich um einen „Markt“, also einen Ort mit Marktrecht handelt. Unterhalb Mistelbachs verläuft die Zaya.
Mit den tatsächlichen Gegebenheiten ist diese Darstellung nicht in Einklang zu bringen.

Es muss festgestellt werden, dass diese Darstellung Mistelbachs in Bezug auf die Anordnung der Gebäude, insbesondere unter Berücksichtigung des Elements der Perspektive, keinerlei Sinn ergibt. Außer Zweifel steht, dass es sich hier um eine vereinfachte Gesamtansicht des Ortes handelt, und nicht wie an anderer Stelle fälschlicherweise gemutmaßt wurde, um eine Darstellung der alten Mistelbacher Burg1, die zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr existierte.

Eine Bemerkung von Univ.-Prof. Dr. Herbert Mitscha-Märheim löst das Rätsel um die merkwürdige, unstimmige Darstellung: in der Beschreibung des Schlosses Ebendorf in seinem 1971 erschienenen Buch „Eine kleine Geschichte von Ebendorf bei Mistelbach“ merkt er an, dass Ebendorf – auf der Karte durch das Schloss dargestellt – spiegelverkehrt abgebildet worden ist.2 Und tatsächlich: vergleicht man die Detailansicht vom Schloss mit der Darstellung auf der Karte fällt diese Unstimmigkeit auf. Während bei Paasdorf die Darstellungen übereinstimmen, wurde wie unten stehender Bildausschnitt zeigt auch die Ortsansicht von Mistelbach offensichtlich spiegelverkehrt gestochen bzw. in weiterer Folge gedruckt. Derartige Fehler kamen im Druckereigewerbe einst öfters vor, musste doch jeder Text und jedes Bild zunächst spiegelverkehrt gesetzt bzw. gestochen werden, um dann in richtiger Anordnung auf dem gedruckten Blatt zu landen.

Spiegelt man den Ausschnitt aus der Karte ergibt sich naturgemäß ein völlig anderes und im konkreten Fall stimmiges Bild, das eine Ansicht aus (süd)westlicher Richtung zeigt.

Ganz rechts: der spitze Turm außerhalb der Befestigung: die Spitalskirche (1). In der Bildmitte die Pfarrkirche (2) ohne Turmhelm und ohne Darstellung der Lage auf dem Kirchenberg. Beim Turm mit Turmhelm handelt es sich um den alten Rathausturm (3) am Hauptplatz. Von rechts nach links: der spitze Turm außerhalb der Befestigung – die Spitalskirche (1); in der Bildmitte die Pfarrkirche (2) ohne Turmhelm und ohne Darstellung der Lage auf dem Kirchenberg; beim Turm mit Turmhelm handelt es sich um den alten Rathausturm (3) am Hauptplatz.

Der Kirchturm war über Jahrhunderte hinweg im Vergleich zu heute recht niedrig und verfügte lange Zeit über keinen oder nur einen sehr kleinen pyramidenförmigen Turmhelm. Frühere Versuche einen Turmhelm zu errichten wurden zum Teil durch Blitzschläge zunichtgemacht.3 Auch Ende des 17. Jahrhunderts als Vischer Niederösterreich bereiste zeigte sich der Turm ohne Abschluss. Eine Abbildung des Kirchturms (ohne Helm) findet sich übrigens auch noch Anfang des 19. Jahrhunderts in Schweickhardts Topographie. Abgesehen von der Ost-West-Ausrichtung ist die Kirche auch durch ein am Dachgiebel des Kirchenschiffs angebrachtes kleines Kreuz erkennbar, das bis heute existiert. Das große Haus links neben dem Rathausturm, das man bei der falschen Originaldarstellung auf der Karte für das allerdings erst rund 30 Jahre später fertiggestellte Kolleg halten könnte, dürfte wohl kein reales Vorbild haben, und einfach der Illustration gedient haben. Seine Lage entspräche übrigens in etwa jener des Barockschlössls, doch wurde auch dieses erst in den 1730er Jahren an einem zuvor leeren Platz errichtet. In der gespiegelten Form stimmt die Abbildung mit der rund 40 Jahre später angefertigten Ansicht von Werner (siehe weiter unten) klar überein, weshalb bezüglich der spiegelverkehrten Darstellung auf der Karte kein Zweifel besteht.

 

Friedrich Bernhard Werners Darstellung 1711

Der aus Niederschlesien stammende Friedrich Bernhard Werner (1690-1776) zählt zu den produktivsten Zeichnern topographischer Ansichten des 18. Jahrhunderts, von dem über 3000 Ansichten überliefert sind. Er war viele Jahre auf Wanderschaft und bereiste weite Teile Europas. Seine ersten Reisejahre führten ihn von seiner Heimat Schlesien über Sachsen und Franken nach Bayern und schließlich durch Süd- und Osttirol, Kärnten, Salzburg, Oberösterreich auch nach Niederösterreich.4 Von Krems reiste Werner nach Hollabrunn und kam über Poysdorf schließlich am 16. Februar 1711 nach Mistelbach, wo er folgendes in seinem Reisetagebuch vermerkte: „Müstelbach der schönste Marckt in unter östereich ist viel schöner, auch grösser als sonsten ein gemaines Städtl, ein schöner undt wohl erbauter Platz“.5 Wie aus diesem Eintrag zu schließen ist, dürfte Mistelbach einen sehr positiven Eindruck auf ihn gemacht haben, und nachdem Werner schon weit gereist war (auch in Unterösterreich = Niederösterreich), sind seine Worte ein umso schöneres Lob für den damals kleinen Markt. Nach seinem Aufenthalt in Mistelbach setzte er seine Reise südwärts Richtung Wiener Neustadt fort. In den Jahren 1708/09 bis 1715 entstand das sogenannte „Linzer Reisebuch“ – so benannt weil es sich das Original seit Jahren im Besitz des Oberösterreichischen Landesarchivs befindet –  mit 418 Ansichten bzw. Skizzen. Es handelt sich dabei nicht um das Originalskizzenbuch, das er bei seiner Reise dabei hatte, sondern Werner hat seine Skizzen und Notizen offenbar später in dieses Buch übertragen.6 Darin befindet sich auch die nachfolgende Ansicht Mistelbachs:

Die Darstellung Mistelbachs auf einer aus dem Jahre 1711 stammenden Federskizze von Friedrich Bernhard Werner, mit folgender Legende: "N: 1 die Pfarrkirchen welche die Michaeler bedienen, 2 ihr Kloster oder Collegio, 3 Platz Thurm, 4 Hospital"Die Darstellung Mistelbachs auf einer aus dem Jahre 1711 stammenden Federskizze von Friedrich Bernhard Werner, mit folgender Bildbeschreibung: „N: 1 die Pfarrkirchen welche die Michaeler bedienen, 2 ihr Kloster oder Collegio, 3 Platz Thurm, 4 Hospital“7

Auf dieser Ansicht aus südwestlicher Richtung findet sich unter 1. die Pfarrkirche, deren Höhenlage im Verhältnis zum davor abgebildeten Kollegsgebäude („Kloster“ – Nr. 2) recht akurat dargestellt wurde, allerdings ohne, dass der Grund für diesen Höhenunterschied – nämlich der Kirchenberg zu erkennen wäre. Bei der Bezeichnung  „Michaeler“ handelt es sich um ein Missverständnis, denn Inhaber der Mistelbacher Pfarre war seit 1661 der Barnabiten-Orden, und die erste Pfarre die dieser Orden in Österreich übernommen hatte war die Hofpfarrkirche St. Michael (Michaelerkirche) in Wien. Werner krönte den Turm der Mistelbacher Pfarrkirche übrigens durch seine Standard-Turmspitze, die mit Sicherheit nicht dem damaligen Erscheinungsbild des Turms entsprach. Bei 3. handelt es sich um den alten Rathausturm der samt dem alten Rathausgebäude 1875 abgebrochen wurde. Besonders interessant ist die Darstellung des außerhalb der Befestigung gelegenen Spitalsviertels („Hospital“ – Nr. 4) mit der alten Spitalskirche im Zentrum. Beim Mistelbacher Spital handelt es sich um eine im 14. Jahrhundert durch die Herren von Mistelbach gestiftete Sozialeinrichtung, die von den Liechtensteinern weitergeführt wurde und bis ins 20. Jahrhundert existierte. Möglicherweise ist links von der von 1904 abgebrochenen und später etwas versetzt neu erbauten Spitalskirche (Elisabethkirche) am Rande der Ortsumfriedung („Stadtmauer“) sogar das „Wiedentor“ (auch unteres Markttor genannt) erkennbar.

Bildnachweise:
-) Vischers Niederösterreich-Karte auf der Webseite der Niederösterreichischen Landesbibliothek
-) Werner-Skizze: Kopie im Göstl-Archiv bzw. Stadt-Museumsarchiv

Quellen:

  1. Jakob, Christa: Frauenhaar und Frauenzimmer (2011), S. 45, Band XI. der Reihe Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart
  2. Mitscha-Märheim, Univ.-Prof. Dr. Herbert: Eine kleine Geschichte von Ebendorf bei Mistelbach (1971), S. 21
  3. Jakob, Christa u. Cantonati, Benjamino: „500 Jahre Pfarrkirche Mistelbach“, Band XIV (2016) der Reihe Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart, S. 38
  4. Marsch, Angelika: „Friedrich Bernhard Werner 1690-1776: Leben und Werk“ In: Andraschek-Holzer, Ralph: Friedrich Bernhard Werner in Niederösterreich – eine Ausstellung aus den Sammlungen der NÖ Landesbibliothek (31. Mai bis 31. August 2006) (2006), S. 11ff
  5. Sign.: 29.269 in der topografischen Sammlung der nö. Landesbibliothek –  Online verfügbarer Scan aus dem Skizzenbuch in den Beständen der Niederösterreichischen Landesbibliothek
  6. Marsch, Angelika: „Friedrich Bernhard Werner 1690-1776: Leben und Werk“ In: Andraschek-Holzer, Ralph: Friedrich Bernhard Werner in Niederösterreich – eine Ausstellung aus den Sammlungen der NÖ Landesbibliothek (31. Mai bis 31. August 2006) (2006), S. 14
  7. Andraschek-Holzer, Ralph: Friedrich Bernhard Werner in Niederösterreich – eine Ausstellung aus den Sammlungen der NÖ Landesbibliothek (31. Mai bis 31. August 2006) (2006), S. 66f
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